Innensatdt-Bars:Gin-Gimlet und Ente auf Kirschsoße

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Die meisten Innenstadt-Bars bieten ihren Gästen auch Essen. Wir tranken mit Altmeistern und jungen Barkeepern.

Fritz Straubinger

Luis Buñuel hat einmal geschrieben, dass er so manche köstliche Stunde in Bars verbracht habe. Bars seien für ihn ein Ort der Meditation und der Sammlung, ohne sie habe er sich ein Leben nicht vorstellen können. Im Vergleich zu den Cafés (der berühmte Regisseur meinte die in Paris) sei die Bar "eine Schule der Einsamkeit. Sie muss vor allem ruhig sein, düster und sehr bequem. Jede Musik ist verpönt, höchstens ein paar Tische, möglichst nur Stammgäste und wenig gesprächige."

Zubehör für die blaue Stunde (Foto: Rumpf)

Buñuel wäre im heutigen München wohl nicht fündig geworden, obwohl die Stadt inzwischen eine ganze Reihe guter Bars beherbergt, darunter die wohl bekannteste im Land.

Eigentlich wollten wir an dieser, nämlich Schumann's Bar, schnöde vorübergehen. Zu oft ist sie schon beschrieben worden. Vor allem jeder zweite schreibende Neuankömmling wollte mal was wirklich Erhellendes oder Kritisches über Charles Schumann schreiben, meistens wurden einfache Liebeserklärungen daraus: an das Lokal und seinen Besitzer, diesen oberpfälzischen Grobian, den Mann mit dem großen Herzen, den Kunstfreund und Mixer-Profi, der längst lieber in der Küche als hinterm Tresen steht.

Deutschlands ältestes Fotomodell ist er und als solches gut beschäftigt. Kein Wunder, bei seinem markanten Schädel. Aber wie könnte man an Schumanns Bar vorbei kommen, diesem angenehm verlebten Ort, wenn an diesem stinknormalen Werktag seine Bar als einzige wirklich voll ist.

Die gute Bar

Also: Schumann sagt, eine gute Bar sollte in der Nähe der besten Hotels, im Schatten der Theater, der Oper liegen. Sie braucht keinen Blick nach draußen (bei Schumann's sind die wenigen Fenster trüb). Barbesucher wollen auch nicht von draußen betrachtet werden.

In München sei es ratsam, ein paar Stühle im Freien zu haben, sonst würden die Sommer schwierig. Es verstehe sich, dass die Mannschaft ihr Geschäft beherrsche, dass sie Stammgäste pflege ("Wie immer, mein Herr") und Klassiker wie trockene Martinis oder Manhattans ebenso mixen könne wie die neuen Cocktails, die übrigens oft süßer sind als die traditionellen. Generell werden aber Drinks gar nicht mehr so viel verlangt, vielen genügt Wein und Bier.

Die Bars, die wir aufsuchten, entsprechen lagemäßig den genannten Kriterien. Es sind Innenstadt-Lokale, in denen vornehmlich Profis ihrem Handwerk nachgehen, es sind vor allem keine schwülen Etablissements, hier können Frauen auch allein hingehen, ohne gleich angequatscht zu werden.

Es gibt keine Türsteher, das Problem der Überfüllung haben ohnehin nur wenige, und wenn überhaupt, dann an den Wochenenden.

Stammgäste vor allem kommen gern zum Essen. Die Zeiten, als Barkeeper ihren Gästen nur ein paar Erdnüsse oder Oliven hinstellten und sonst nur Drinks, sind längst vorbei.

Wir reden also eigentlich von Bar-Restaurants, denn gekocht wird - mit Ausnahme der Havanna-Bar - überall.

Schumanns Handwerker

Im gemütlichen Tabacco im früheren "Schwarzwälder" (auch Otto Koch gab hier ein Gastspiel) stehen jeden Tag ein paar Standards, darunter zwei Pasta-Gerichte und vor allem Filets und Entrecôtes (für 19 Euro) auf der Tafel. Und die schmecken ausgezeichnet. Stefan, Yasar und Edmond haben ihr Handwerk im Schumanns gelernt und sind längst eine verlässliche Adresse.

Und der Gin-Gimlet schmeckt deshalb genau so schön erfrischend wie an der Maximilianstraße. Nach langem Ringen mit der Behörde dürfen die drei jetzt auch Stühle auf dem schmalen Gehsteig aufstellen.

Nicht weit davon, in den Fünf Höfen, wo es abends ziemlich still ist, hat das Barista schnell Freunde gefunden. (Eine Gründung der Leute vom Pacific-Times.) Pärchen bestimmen die Szene. Bei unserem Besuch gab es nur wenige Lücken an der Bar, die dem kleinen Restaurantbereich vorgesetzt ist. Ein Abendmenü wird hier angeboten für 24 Euro.

Bestehend aus Blumenkohlsuppe, Barbarie-Ente auf Kirschsoße und Himbeercharlotte als Nachtisch. Der Mann hinter seinem Malt rückt indigniert zur Seite, als ihm der Suppengeruch in die Nase steigt. Eine Innenstadtbar garantiert ohne Essensgerüche ist die Havanna-Bar in der Herrnstraße.

Sushi und Pacific-Food

Michael Käfer hat sie vor 18 Jahren gegründet und längst wieder verkauft: zwei rustikale Räume im Hochparterre mit einer zehn Meter langen Bar, an der am Wochenende sechs oder sieben Barkeeper werkeln. Das Publikum ist bunt gemischt, der Laden praktisch promi-frei, was die Stammgäste schätzen. Caipirinha steht als Nummer- eins-Hit auf der Tafel und kostet acht Euro. Ernest Hemingway schmunzelt vom Foto herunter.

Im Lechthaler, einer eleganten, allerdings übermöblierten Bar in der Wurzerstraße, ist es still an diesem Abend. Nur im Nebenraum, der jetzt deutlicher als früher abgetrennt ist, sitzen ein Dutzend Gäste über Sushi und Pacific-Food. Das Tokami hat hier eine Dependance.

An Freitagen und Samstagen läuft der Laden. Besitzer Lechthaler, ein Südtiroler mit glatt rasiertem Kopf und Hang zur Promi-Kundschaft, war sicherlich anfangs gegen Schumanns Bar angetreten. Aber die hält ihn deutlich auf Distanz - und hat samstags sogar zu, wenn der Ebersberger Porschefahrer in die Stadt braust.

Auf der anderen Seite der Maximilianstraße, in Henry's Manhattan Bar in der Falkenturmstraße, labt sich vornehmlich junge Kundschaft an angesagten Cocktails. 50 Meter weiter hält Bill Deck die Stellung. Seit nunmehr 28 Jahren führt der asketische Amerikaner seine Bar, die jetzt Pusser's heißt, benannt nach dem berühmten karibischen Rum, der früher mal der britischen Navy exklusiv zur Verfügung stand.

Zur blauen Stunde...

Bill Deck hat die American Bar nach München gebracht, er hat als erster Champagner glasweise ausgeschenkt, und bei ihm hat Karl (Charles) Schumann gelernt. Damals hieß die Bar noch Harry's New York Bar, ein berühmter

Name, den Deck vor ein paar Jahren zurückgeben musste. Jetzt eben Pusser's, mit Sohn David hinterm Tresen und einem Pianisten im Untergeschoss. Die Räume sind schön altmodisch, die Dekoration ist maritim (der Navy zu Ehren!) und das Essen karibisch.

Es gibt Chips und Salsa, Nachos Supreme oder Chicken Roti, das sind gefüllte Tortillas mit Curryhuhn und Kartoffeln, serviert mit hausgemachtem Mango Chutney. Und eben Bill Deck, der gut zuhören kann, wie es sich für einen Bar-Profi gehört, der aber auch viel zu erzählen hat, wenn es gewünscht ist: von alten Zeiten in München und verblichenen Bar-Gängern. Vielleicht wäre das Pusser's ja eine Adresse für Buñuel gewesen, wenigstens zur blauen Stunde, bevor der Klavierspieler kommt...

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