Illegale Waffen:Kleines Kaliber - große Gefahr

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Der Amokläufer von Nymphenburg besaß keinen Waffenschein für sein Gewehr. Kein Einzelfall: Immer wieder gibt es Zwischenfälle mit nicht registrierten Waffen.

Von Christian Rost

Wieso verfügt ein unberechenbar aggressiver, vielleicht sogar psychisch kranker Mann über eine Schusswaffe? Gibt es keine Möglichkeit der Ordnungsbehörde, dies zu verhindern? Der Amoklauf eines 66-Jährigen in Nymphenburg wirft einige Fragen auf. Fest steht: Walter S., der aus nichtigem Grund am Montag drei Nachbarn mit einem Kleinkalibergewehr niederstreckte und kurz darauf einem Gehirnschlag erlag (wie berichtet), durfte die Waffe nicht besitzen. Und er besaß sie doch.

Mit dieser Waffe hat Walter S. auf seine Nachbarn geschossen. (Foto: Foto: ddp)

Bis in die 70er Jahre hinein konnten Kleinkaliberwaffen wie das Unterhebel-Repetiergewehr von Walter S. frei erworben werden und befanden sich somit unkontrolliert im Umlauf. 1973 und 1976 unternahm der Staat mit einer Waffen-Amnestie den Versuch, den Besitz in rechtlich geordnete Bahnen zu lenken: So genannte "Altbesitzer" und Erben von Waffen konnten die Schießgeräte bei der Stadt anmelden und damit legalisieren lassen. Mehr als 18.000 Leute kamen in München der Aufforderung nach. Viele andere Altbesitzer wie Walter S. nicht. Polizeisprecher Albert Lachner befürchtet, dass sich "noch eine hohe Zahl solcher Waffen illegal in der Stadt befindet". Bei S. lag das Gewehr mit dem Kaliber 5.6 Millimeter mehr als 30 Jahre herum, ehe der Rentner damit auf seine Nachbarn schoss und sie schwer verletzte.

Gemeldet sind in München mehr als 63.000 Waffen aller Art bei rund 18.000 registrierten Besitzern. Zwischenfälle mit Waffen gibt immer wieder - häufig handelt es sich um Jugendliche, die zu Luftgewehren greifen und vom Balkon oder Fenster auf alles halten, was sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen kann. Tiere genauso wie Menschen, die von den Mini-Projektilen nur selten schwerer verletzt werden.

Doch es fallen auch tödliche Schüsse - wie bei dem Kneipengast vor einigen Jahren, der angetrunken einen Streit anzettelt, sich dann seelenruhig zu Hause eine nicht registrierte Pistole großen Kalibers holt und seinen Kontrahenten in dem Lokal ermordet. Selten sind ebenfalls die Fälle wie der des Walter S., dem Schützen mit dem Kleinkalibergewehr, "Aber nicht zu unterschätzen", wie Polizeisprecher Lachner sagt: "Die Mündungsenergie bei einem Gewehr vom Kaliber 5.6 ist deutlich höher als bei einem Luftgewehr." Es handle sich "durchaus um eine gefährliche Waffe". Das Projektil könne bei einem Schuss in den Brustbereich eindringen und Organe lebensgefährlich verletzen, so Lachner.

Von der Gefährlichkeit, die von Kleinkaliberwaffen ausgeht, ist auch das Kreisverwaltungsreferat (KVR) als zuständige Aufsichtsbehörde überzeugt. KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle forderte vergangenes Jahr - nachdem am 1. April 2003 in der Folge des Amoklaufs in Erfurt das verschärfte Waffenrecht in Kraft getreten war - noch härtere Regelungen. Blume-Beyerle sprach sich für eine "weiter gehende Verschärfung des Gesetzes zur Sicherheit aller Bürger" aus. Auch wenn sich der Staat nicht zu härteren Regeln durchringen konnte, die Diskussion um Waffenbesitz zeigt Wirkung: Im Jahr 2002 wurden in München noch 650 Waffenbesitzkarten beantragt, im Jahr darauf ging die Zahl um ein Drittel zurück. Bei den Sportschützen halbierte sich die Zahl sogar auf zuletzt 40.

© SZ vom 29.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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