Hommage an Alberto Sordi:Alberto Nazionale

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Der junge Italiener, der amerikanischer als Amerikaner sein will, der Kassenarzt, der auf schnelles Geld aus ist, der junge Müßiggänger bei Fellini - das waren die Rollen Sordis, die ihn zum Nationalsymbol Italiens werden ließen. Im Gasteig ist eine Hommage zu sehen. Von Birgit Lutz-Temsch

Von Birgit Lutz-Temsch

Als Alberto Sordi am 25. Februar 2003 starb, wehte auf einem Spruchband über der römischen Piazza San Giovanni: "Dieses Mal hast Du uns zum Weinen gebracht." Hunderttausende strömten auf den weiten Platz, der die Massen kaum noch fassen konnte. Sie kamen, um Abschied zu nehmen von einem, dessen Rollen sich ausschließlich mit Menschen aus dem Volk beschäftigt hatten. Der deshalb Identifikationsfigur und Nationalsymbol für die Italiener gleich mehrerer Generationen wurde.

Sordi als "Il marchese del grillo" (Foto: Foto: oh)

Im Ausland ist Sordi weit weniger Menschen ein Begriff, selbst sich italophil wähnende Toskana-Urlauber können mit seinem Namen oft nur wenig anfangen. Dabei verkörperte Sordi die Eigenheiten des italienischen Volk so treffend, dass in kaum einer - von Italieniern geführten - Pizzeria nördlich der Alpen kein Foto von ihm zu finden ist. Vorzugsweise eine Szene aus "Un americano a Roma", in der Sordi, breitbeinig an einem Holztisch sitzend, einen Teller Spaghetti isst. Um jeden Preis amerikanisch wirken will der junge Italiener, den Sordi mimt, und vor allem der eigenen Kultur entfliehen. Was ihm jedoch nicht gelingen will, weil er viel zu sehr in ihr verwurzelt ist.

Bis er zu dieser Ikone wurde, hatte Sordi allerdings einen weiten Weg hinter sich gebracht: Am 15. Juni 1920 im römischen Trastevere geboren, wollte er schon als Kind auf die Bühne. Doch die Kinomacher der Fünfziger sahen in ihm so gar kein glamouröses Potenzial, und hielten ihn deshalb für untauglich. Nur synchronisieren durfte Sordi, zuerst Oliver Hardy, später auch Robert Mitchum oder Anthony Quinn.

Dass in Sordi vielleicht tatsächlich wenig glamouröses, dafür aber ein großes komisches Talent steckte, bewies Federico Fellini, der ihn für seinen Film "Der weiße Scheich", entdeckte, in dem sich eine junge Frau in die Traumwelt eines Fotoromans flüchtet, dessen Held besagter, von Sordi gemimter Scheich ist. Eine zweite Arbeit mit Fellini folgte, als einer der gelangweilten Jugendlichen in "I vitelloni". In "I magliari" beschäftigt sich Sordi in einer Milieustudie mit dem deutschen Wirtschaftswunder aus der Sicht eines jungen Gastarbeiters in Deutschland.

Sordi war kein Klamauk-Komiker, sondern er erfand eine neue, seine eigene Art der Komik. Er zeigte den Charakter seiner Landsleute, und vor allen dessen negative Seiten, von sanft ironisch bis zynisch und sarkastisch, aber niemals verletzend. So schaffte er es, dass sich das Volk mit den oft wenig vorteilhaft dargestellen Figuren dennoch identifizieren konnte und wollte.

Und so spielte Sordi schließlich in mehr als 150 Filmen den Schlauen, der seine Mitmenschen übers Ohr hauen will, das Mama-Söhnchen, der mit 40 noch immer zuhause wohnt, den Kassenarzt, der schnelles Geld machen will, oder den biederen Ehemann. In seinen annähernd 200 Filmen beschreibt er so fast das ganze 20. Jahrhundert in Italien, und das in einer solch umfassenden Art, das Ausschnitte seiner Filme, gemischt mit historischem Archivmaterial, mittlerweile sogar im Geschichtsunterricht an Schulen gezeigt werden.

Walter Veltroni, Bürgermeister Roms, überließ Sordi zu seinem 80. Geburtstag die Schlüssel zum römischen Rathaus und damit die Regentschaft über die Stadt. Doch die Autos aus Rom zu verbannen, das gelang auch Sordi nicht, obwohl er das gern wollte.

1990 wurde Sordi von den Italienern zum beliebtesten und populärsten Italiener gewählt. "Unser Leben ist nur zu einem kleinen Teil tragisch", sagte er, man kann über fast alles lachen."

Von 16.-18. Juli zeigt der Circolo Cento Fiori eine Hommage an Alberto Sordi im Vortragssaal der Stadtbibliothek im Gasteig. Programm: Freitag, 16. Juli 2004, 20 Uhr: "I magliari" Samstag, 17. Juli, 18 Uhr: "Il medico della mutua", 20 Uhr: Finché c´è guerra c´è speranza", Sonntag, 18. Juli, 18 Uhr: "Detenuto in attesa di giudizio", 20 Uhr: "Il marchese del grillo".

© SZ vom 16.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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