Hörenswert:Radikale Reduktion

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Kommerzielles liegt ihm gar nicht. Er bekomme dabei immer Depressionen, hat Jazzsaxofonist Jason Seizer einmal in einem Interview gesagt. (Foto: Konstantin Kern)

Jason Seizer, Jazzsaxofonist und Chef des Labels "Pirouet", beschäftigt sich in seinem neuen Album auf seine ganz eigene Weise mit Filmmusik. Nächste Woche stellt er "Cinema Paradiso" mit seinem Quartett in der "Unterfahrt" vor

Von Oliver Hochkeppel

Jason Seizer hat einiges dafür getan, dass ihn die Aura des spröden Jazz-Gralshüters umgibt. Schon durch sein immer etwas distanziertes, stilles Auftreten im Rollkragenpulli- und Hornbrillen-Existenzialistenlook. Vor allem aber durch seine kompromisslose Musikerhaltung. Der 50-Jährige, der sich im - für heutige Eleven - Methusalem-Alter von 23 Jahren von klassischer Querflöte auf Jazz und Tenorsaxofon verlegte, ist seit jeher ein Purist, der mit eigenen Bands sein eigenes Modern-Jazz-Ding macht. "In Deutschland hast du Arbeitsbedingungen als Musiker, in denen du viel Kommerzielles machst. Ich habe das immer wieder versucht, aber es liegt mir einfach nicht, entspricht nicht meinem Naturell, ich bekomme Depressionen", hat er einmal in einem Interview berichtet.

Ähnlich kompromisslos ist Seizer auch als künstlerischer Leiter und Produzent des vor zwölf Jahren zusammen mit dem Kaufmann Ralph Bürklin gegründeten Labels "Pirouet". Gemacht wird nur, was man wirklich gut findet, alles wird selbst produziert und ohne großen Wirbel, dafür mit einem ästhetischen Gesamtkonzept unter die Leute gebracht. So auch Seizers neues Album, sein viertes beim eigenen Label und insgesamt erst das siebte. Dass es "Cinema Paradiso" heißt und sich mit Filmmusik beschäftigt, jenem illustrativen Genre, das bei den Klassiksendern die Kitschecke beherrscht, mag nach dem bisher Gesagten überraschen. Wer Seizer kennt, weiß, dass sich seine Fokussierung immer durch den offenen Blick nach allen Seiten schärfte. Und den ihm eigenen trockenen Humor hat er in den vergangenen eineinhalb Jahren mit seinem gerade wieder in die Sommerpause gegangenen "Jazz-Salon" im Heppel & Ettlich sogar öffentlich gemacht.

Was aber nicht heißt, dass "Cinema Paradiso" nicht wieder purer Jazz geworden ist. Schon der Einstieg mit Bernhard Herrmanns "Carlotta's Portrait" aus Hitchcocks "Vertigo" ist eine jedem Breitwandformat und jeder extrovertierten Pose abgeneigte intime lyrische Miniatur. Fast zu reiner Improvisation wird Jerry Goldsmiths Titelmusik zu Ridley Scotts "Alien". Hört man die neun Stücke des Albums, muss man an Keith Jarretts "A Melody At Night With You" denken, so ähnlich ist Seizers radikale Reduktion auf die melodische Essenz, auf das Wesen der Vorlagen. Nur, dass dies kein Solo-Werk ist, sondern das eines bedingungslos aufeinander hörenden und eingehenden Quartetts, seiner bevorzugten Besetzung. Der Kölner Pianist Pablo Held spielt eindeutig eine gleichberechtigte zweite Hauptrolle; Bassist Matthias Pichler erdet nicht nur den "Jungle Beat" aus dem "Dschungelbuch", das farbigste, am schwersten wiederzuerkennende Stück. Und Drummer Fabian Arends ist immer präsent, auch wenn man ihn oft nicht wahrnimmt - das Beste, was man bei einem so fein gesponnenen, auf Nuancen geeichten Projekt über einen Schlagzeuger sagen kann.

Jason Seizer: "Cinema Paradiso", 8. April, 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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