Hochzeitsmesse:Wir sind spießig - na und?

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"Die Braut darf wieder Prinzessin sein": Sie trinken Prosecco, essen Prinzregententorte, tragen seidene Roben und rosa Herzchenbrillen: Menschen, die heiraten, sind anders. Eine Reportage.

Ruth Schneeberger

Parteien, die einst die Welt revolutionieren wollten, propagieren die "Neue Mitte", Medien rufen eine "neue Bürgerlichkeit" aus, die Jugend, so zeigen Studien, will zurück zu "wahren Werten" - Spießigkeit ist "in". Warum also nicht heiraten?

Ungefähr das dachten sich rund 10 000 Menschen aus München und Umgebung und besuchten am Wochenende die Hochzeitmesse in München. Wird einem da nicht schlecht?

Man stellt sich vor: Glückselige Pärchen, die eng umschlungen zwischen bonbonfarbenen Schleifchen, rüschenen Roben und güldenen Eheringen umherturteln und von eifrigen Verkäufern mit dem immer gleichen Satz "Man heiratet nur einmal im Leben!" umworben werden. Es ist aber alles ganz anders.

Abgesehen davon, dass diese Einmaligkeit längst nicht mehr stimmt, was ein Grund dafür sein könnte, dass seit Jahren Hochzeitsmessen, vor allem im ländlichen Raum, wie Pilze aus dem Erdboden schießen, um auch die Blitz-Ehen zu bedienen - abgesehen davon also ist eine Hochzeitsmesse nicht nur nicht ganz so schlimm. Sie ist sogar gar nicht so übel. Wenn man Torte mag.

Es muss ja nicht die Torte mit der Diddl-Maus sein. Gleich zum Start stimmt "Bodo's Konditoreicafe" aus München auf den für Gäste angenehmsten Teil der Hochzeit ein: das große Fressen. Wie groß und wie genau bestückt es sein soll, das kann man sich hier aussuchen: 1-, 2- oder 10-stöckig, mit echten Rosen oder essbaren Hochzeitspärchen verziert, mit Prinzregenten- oder Spezialfüllung. Mit einem Golfplatz aus Marzipan oder einem Dekor aus Liebenden, die am Strand Champagner trinken.

Hunderte von Herzchen

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt? "Eigentlich nicht. Am beliebtesten sind aber die schlichten, edlen Torten", erklärt Verkäuferin Inge Engisch, die alle Hände voll zu tun hat, Heiratswillige zu beraten. "Viele würden viel zu große Torten nehmen, die der Gästezahl gar nicht entsprechen. Und die meisten Besucher wissen nicht, dass man jeden Stock einer Torte anders befüllen kann. Dabei ist das längst Usus, zumindest in München." Der Hochzeitsmessegänger an sich scheint recht unbedarft zu sein.

Vielleicht liegt`s an der rosa Brille, die man hier kaufen kann und die nicht nur rosa Licht, sondern auch hunderte von Herzchen in die Athmosphäre zaubert. Vielleicht liegt's auch daran, dass Verliebte per se nicht ganz zurechnungsfähig sind. Insgesamt berichten die meisten Aussteller davon, dass die Messebesucher viel Beratungsbedarf mitbringen. Deutlich mehr als die Kunden, die normalerweise ins Geschäft kommen.

Dafür sind manche umso kurzentschlossener: Das Brautkleid, das in der Halle zwischen Fotografen, Partyveranstaltern und Kutschenvermietern schnell anprobiert wird, wird auch gerne gleich gekauft, für 130 bis 2000 Euro. Größe egal? "Wir können ja nicht alle Größen und alle Farben aus unserem Sortiment mitnehmen", sagt Christine Gruber von der "Brautvitrine" aus Freising. Rund 30 Prozent des Jahresumsatzes werde trotzdem auf einer solchen Hochzeitsmesse im Schnitt gemacht. Ein lohnendes Geschäft - vor allem an diesem Wochenende, an dem es immer noch nicht schneit. Und die Daheimgebliebenen möglicherweise auf romantische Gedanken kommen.

Antrag unterm Eiffelturm

Wenn das Kleid also passt, und wenn sogar das absolute Traumkleid dabei ist, dann wird sofort zugeschlagen. Da ist dann sogar der Preis Nebensache. Erklärt Sophia Rosner aus Unterhaching. Sie dreht sich gerade in einem elfenbeinfarbenen Kleinmädchentraum. Ihre Freundin macht Fotos mit dem Handy.

Zwar ist die 27-Jährige schon seit zehn Jahren in ihren Freund verliebt. Den Antrag gab's aber erst vergangene Woche. Unterm Eiffelturm in Paris. Wer kann da schon nein sagen? Also nutzt sie die Gelegenheit, sich einen Überblick über das Angebot zu verschaffen. Eine Location ist schon ausgeguckt: "Das kleine Schloss im Münchner Luitpoldpark, schön romantisch."

Schlösser und Burgen sind in diesem Jahr besonders beliebt. Ralf Leidner vom Hotel Burg Wernberg hat gleich ein ganzes Himmelbett, Kerzenständer und Ritterrüstung mitgebracht, um zu demonstrieren, wie innig so eine Burgnacht verlaufen kann - etwa im Landgrafenzimmer, für 210 Euro die Nacht.

Schwangerschaft erwünscht

Das passt zum märchenhaften Auftritt der Braut 2007: "Wir haben ganz viele edle Stoffe, reiche Verzierungen, Blütendekors, lange Röcke, bloß nicht Mini, lieber Schleppen und zarte Diademe", erklärt Gabriele Wegner von Brautmoden Wölfel aus Freising, an deren Stand die Hochzeitswilligen Schlange stehen, um ihr Märchenkleid anzuprobieren. "Das war mal ganz anders. In den 90ern gab es die Empire-Linie, da hieß es: Lasst mich bloß nicht schwanger aussehen. Das ist jetzt vorbei."

Klar, wer heiraten will, braucht dringend was recht hübsches zum anziehen. Da tut's das Dirndl nicht immer - obschon es auch das in besonders edler Form als Hochzeitskleid zu kaufen gibt. Margarita Bundschuh liefert sie sogar von ihrem Atelier in Grafing bis nach Berlin, wie sie mit glänzenden Augen berichtet - natürlich im Dirndl.

Aber selbst dies fast ausschließlich in drei Farben: "Creme, Creme und nochmal Creme", berichten die Verkäuferinnen unisono. Weiß sei total out und fast komplett aus dem Sortiment verschwunden.Creme stünde den meisten Kundinnen auch viel besser zu Gesicht: Den blassen, weil ihr Teint damit weniger kalkig wirke, den braunen, weil ihr Gesicht weicher wirke.

Cremefarben sind auch bei den Herren groß im Kurs, die Stoffe glänzen. "Heuer gibt es Anzüge, die man wirklich nur einmal im Leben tragen kann, weil sie so glamourös sind. Nicht mal auf der Hochzeit des besten Freundes kann man die noch mal anziehen, weil man sonst besser aussehen würde als der Bräutigam", so Inge Weber von Brautmoden "Complicité" aus Augsburg. Der Business-Anzug sei defintiv auf Hochzeiten nicht mehr angesagt. Romantik und Tradition stünden hoch im Kurs.

Alles, bloß klassisch

Klassisches ist auch bei den Frisuren gefragt. Virginie Vandrovsky bürstet die blonden Locken der 26-jährigen Heiratskandidatin Sigrid Kaiser. Obwohl die Frisörmeisterin selbst eher trendy aussieht, verpasst sie der zierlichen Münchnerin, die zu Silvester um ihre Hand gebeten wurde, eine damenhafte Hochteckfrisur. Individuelle Typberatung sei ein Muss. Wenn das Hochzeitskleid nicht gerade pink sei, passe dazu auch keine ausgefallene Frisur.

Und während die Messebauer schon wieder einpacken, stehen hier und da Verkäufer-Trüppchen, essen feine Torten oder trinken perlenden Sekt. Das ist längst nicht auf jeder Messe so. Offenbar sorgt der "schönste Tag" im Leben zweier Menschen auch bei anderen für Freude, unter anderem bei Hochzeits-Anbietern.

Fazit: Menschen, die den 7.7.2007 zu ihrem Glückstag auserkoren haben, die sich als Märchenpaar von zwei Pferdchen zum Schloss kutschieren lassen und dabei in Weichzeichner-Farben aussehen möchten wie Prinz und Prinzessin, solche Menschen mögen im Paralleluniversum der Singles und Romantik-Verweigerer als spießig gelten. Sie sind aber die perfekten Besucher einer Hochzeitsmesse.

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