Hitler-Attentäter Georg Elser:Kein Terrorist - ein Held

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München hat sich lange schwergetan mit dem Gedenken an Georg Elser. Historiker Peter Steinbach über den mutigen Einzeltäter, dessen Attentat auf Hitler sich nun jährt.

Anne Goebel

Im kommenden Monat jährt sich das versuchte Attentat Georg Elsers auf Hitler zum siebzigsten Mal. Am 8.November 1939 explodiert um 21.20 Uhr im Bürgerbräukeller die Bombe, die den Führer töten soll - und verfehlt ihn, weil er den Saal früher verlässt als vorgesehen. Verschiedene Veranstaltungen würdigen zum Jahrestag die Tat Elsers, eines einfachen Schreiners aus einem Dorf in Württemberg. Das Gedenken ist keine Selbstverständlichkeit. München hat sich lange schwergetan mit der Erinnerung an den mutigen Einzeltäter, der kurz vor Kriegsende im KZ Dachau ermordet wurde. Ein Gespräch mit dem Historiker Peter Steinbach, Leiter der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand, der in dieser Woche für ein Symposium über Georg Elser nach München kommt.

Der Historiker Peter Steinbach. (Foto: Foto: oH)

SZ: 70 Jahre Bürgerbräu-Attentat: Wird zum Jahrestag ein anerkannter Widerstandskämpfer gegen den NS-Terror gewürdigt - oder ist Georg Elser immer noch ein Unbekannter, dessen Tat in der breiten Öffentlichkeit vergessen ist?

Peter Steinbach: Ich glaube, dass Georg Elser einer der am meisten verzeichneten Regimegegner ist. Seine Tat wird nicht als das wahrgenommen, was sie war. Es gibt zwar nicht nur die Veranstaltungen in München, geplant ist auch eine Feier in Stuttgart, zu der wohl Ministerpräsident Günther Oettinger kommen wird, und auch eine in Berlin. Die Würdigung ist also einerseits durchaus vorhanden. Auf der anderen Seite wird erneut versucht, eine Debatte anzustoßen, die Elsers Tat moralisch diskreditieren soll. Und diese Tendenzen machen die Gedenkfeiern so wichtig und so aktuell.

SZ: Mit welchen Argumenten wird die Leistung Elsers in Zweifel gezogen?

Steinbach: Die These ist dieselbe wie schon vor einigen Jahren, als eine ähnliche Diskussion geführt wurde: Elser sei in der linken und linksextremistischen Szene angekommen und werde gerade dort mit besonderer Sympathie rezipiert. Menschen wie dem früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel, dessen Minister Elser einen der größten Söhne seines Landes nannte, wird Unwissenheit bescheinigt. Die Unterstellung lautet: Indem man an einen Regimegegner erinnert, stelle man seine Tat, die versuchte Tötung Hitlers, als vorbildlich hin. Elser erscheint so als eine Art Terrorist. So etwas schlägt Wellen, und Sie können sich vorstellen, dass das von rechten Gruppierungen sehr begierig aufgenommen wird.

SZ: Das Gedenken an Elser war nie ganz einfach - in München mussten fünfzig Jahre vergehen, bis eine Gedenktafel an das Attentat erinnerte. Den Georg-Elser-Platz gibt es erst seit 1997.

Steinbach: München hat sich sehr, sehr schwer damit getan, Elser zu akzeptieren. Die Arbeit von Bürgerinitiativen war für seine Rehabilitierung ungemein wichtig, ähnlich wie in seinem Heimatort Königsbronn. Es gab jahrelange Auseinandersetzungen, aber inzwischen ist mein Eindruck: Elser ist in München angekommen, nicht als Terrorist, sondern als Regimegegner. Wobei man sagen muss: Überall in Deutschland hat es beschämend lange gedauert, bis der Widerstand gegen das NS-Regime angemessen gewürdigt wurde.

SZ: Das ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar - warum war das so?

Steinbach: Man muss sich klar machen, dass Elsers Familie, seine Mutter, sein Sohn, nach dem Krieg diffamiert wurden. Lange Zeit hielten sich Gerüchte um angebliche Auftraggeber. Als man die Deutschen in den fünfziger Jahren fragte, ob eine Straße oder eine Schule nach einem Regimegegner oder einem Emigranten benannt werden soll, hat die Mehrheit der Deutschen dies fast immer abgelehnt. Die Auseinandersetzung mit dem Widerstand beinhaltete ja die Einsicht, dass es eine Alternative gab zum eigenen Mitläufertum. Und das wollte man nicht so gerne sehen. Lieber sollte die eigene Lebenslüge aufrechterhalten werden, dass alle in einem kollektiven Zwangssystem lebten, aus dem es keinen Ausweg gab. Dabei wissen wir heute: Die NS-Gesellschaft war eine Denunziantengesellschaft. Menschen verrieten andere Menschen und lieferten sie aus.

SZ: Heute gibt es Schulen und Plätze, die nach Georg Elser benannt sind - warum ist die Erinnerung an seine Tat so wichtig?

Steinbach: In den Sonntagsreden wird immer von Zivilcourage gesprochen. Das ist schön und gut. Aber viel wichtiger ist die Auseinandersetzung mit der konkreten Wirklichkeit, in der beispielsweise der Widerstand damals stattfand. Das heißt: Wie haben die jungen Menschen von der Weißen Rose, wie hat Elser auf die Politik seiner Zeit reagiert? Er hat, um es deutlich zu sagen, auf politische Schweinereien reagiert. Er wollte den Krieg verhindern, er hat deutlich gesehen, worauf diese Diktatur hinausläuft. Er war hellsichtig und hat verantwortungsvoll gehandelt. Risikobereitschaft, Solidaritätsfähigkeit, das sind bis heute gesellschaftliche Grundforderungen an uns alle. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Notwendigkeit für eine Empörung über Ungerechtigkeit plausibler machen kann als durch eine Auseinandersetzung mit dem Widerstand. Also auch mit Georg Elser.

Das Symposium "Georg Elser und der deutsche Widerstand - ein Erbe deutscher Demokratie" findet am Donnerstag, 22.Oktober, ab 15.30 Uhr in der Hochschule für Philosophie statt (Kaulbachstraße 31). Die gemeinsame Veranstaltung der Literaturhandlung und der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit beginnt nach einer Begrüßung durch Kultusminister Ludwig Spaenle mit einem Vortrag des Geschichtswissenschaftlers Hans Mommsen zur Widerstandsforschung. Peter Steinbach, Historiker und Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, spricht um 17.30 Uhr über "Georg Elser - der unerwartete Widerstand von unten". Bei der Diskussion mit dem Publikum (20 Uhr) sitzen auf dem Podium: Ludwig Spaenle, Peter Steinbach, der Autor Ralph Giordano, Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, und eine Schülerin. Anmeldung unter Telefon 21862185.

© SZ vom 20.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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