Hertzkammer:Techno-Klassik

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Kitsch-frei: Die Musikerin Francesca Lombardo

Von Rita Argauer

Wie ein Schlag ins Gesicht: Ende der Neunzigerjahre erklang Tschaikowskys "Schwanensee" über einem Eurodance-Hit. Jaulende Synthesizer spielten das signifikante Thema, zu dem Odette im Ballett stirbt. Schnell wurde die Melodie über den Beat gedrückt, eine durch und durch grauenhafte Erfahrung zwischen Autoscooter und romantischer Todessehnsucht.

Doch klassische Musik gelangt auch heutzutage in den Techno-Kontext: Zu den Opernfestspielen 2013 lud die Bayerische Staatsoper Paul van Dyk ein. Der Bühnenraum des Nationaltheaters wurde zum Club und van Dyk ließ sein Set immer wieder von live vorgetragenen Arien unterbrechen. Richtig vermischt haben sich Klassik und Trance da zwar nicht - aber die gleichwertige Gegenüberstellung war ein schöner Anfang. Der Berliner House-Produzent Henrik Schwarz ging noch einen Schritt weiter und veröffentlichte ein Album bei Sony Classical: Darauf finden sich seine Tracks, arrangiert für ein Kammerorchester. Klug verzichtet Schwarz in dieser Version seiner Musik auf die sonst so signifikante Bass-Drum - die Arrangements haben innerhalb des klassischen Klangkörpers die Luft für Mikro-Tempi. Ein Sound, der harmonisch nach Spätromantik und strukturell nach Minimal klingt; und als Album in der klassischen Klangästhetik bleibt.

Die Londoner Musikerin und Plattendreherin Francesca Lombardo begegnet diesem Prinzip auf noch einmal entgegengesetzte Weise: Sie ist eine klassisch ausgebildete Pianistin. Aber ihre DJ-Sets sind klar für den Club gemacht - und ohne sich den Kitsch zu erlauben, Klassisches direkt zu benutzen oder zu remixen, bleibt dieser Einfluss auf aufregende Weise hörbar: So beginnt sie etwa mit Streichern, langsam und düster. Doch sie verzichtet darauf, diesen Anfang durch das abrupte Einsetzen des Beats zum unwichtigen Intro zu deklarieren. Sie moduliert die Klänge hingegen sachte in die elektronische Richtung.

Es folgt ein Beat, dessen Schläge viel Raum für Echos haben und sich nicht ausschließlich auf die nach unten drückende Bass-Drum fokussieren: Monoton wie im House, doch klangästhetisch erinnert das an das Rattern eines vorbeirauschenden Zugs. Ein lebendiger Sound, in den auch mal eine Klavier-Akkord-Folge hereinbricht, die nicht nach Ballermann klingt, sondern zart, klassisch und selbstbewusst. Das schlägt nicht zu, das windet sich sanft in den Ohren und schafft es ganz unauffällig, den klassischen Background in den Club zu integrieren.

Francesca Lombardo, Samstag, 18. April, 23 Uhr, Marry Klein im Harry Klein, Sonnenstraße 8

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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