Hertzkammer:DJ Moguai vs. Westbam

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Gipfeltreffen in der Badeanstalt: Die Techno-DJs Moguai und Westbam kommen. Die beiden zählen zu den Arriviertesten ihres Genres - und sprachen mit Jochen Temsch und Birgit Ackermann über Zukunft und Vergangenheit des Techno.

Pionier und "Techno-Loge" Westbam ist der kommerziell wohl erfolgreichste deutsche Techno-DJ, -Produzent und -Labelbesitzer. Unter anderem hat er vor 13 Jahren die weltweit größte Hallen-Technoveranstaltung mitgegründet: die Dortmunder "Mayday", die vergangenes Wochenende wieder stattfand. (Samstag, 8. Mai, Leopoldstraße 250, 22 Uhr.)

DJ Moguai (Foto: Foto: oh)

SZ: Wie war die Mayday? Westbam: Ein Kracher. Um die 20.000 Leute waren da. Moguai: Besonders erfreulich in einer Zeit, in der alle jammern.

SZ: Techno ist noch nicht zu beweinen? Westbam: Überhaupt nicht. Obwohl die Musik-Krise krass zugeschlagen hat und es in der Szene die weisesten Leute gibt, was die Anwendung von Internet und CD-Brennern angeht. Aber: Ich habe 1986 mit House angefangen. Und ich schwöre: 1987 hat mich der erste Journalist gefragt, ob das Ganze nicht langsam vorbei sei. Moguai: Diese Diskussion ums Ende, die es in anderen Pop-Bereichen so gar nicht gibt, ist ein echtes Phänomen. Westbam: Das hat aber auch mit den philosophischen Anlagen von Techno in den frühen Neunzigern zu tun: Das ist der "Neuerfindungs-Fundamentalismus", wie es Reinald Goetz nannte. Die Vorstellung, dass sich Techno ständig neu erfinden müsse, wurde zwangsläufig enttäuscht. Heute muss Techno den Anspruch eines Lebensstils haben, die Zeitgenossen müssen sich darin wiederfinden.

SZ: Viele der Zeitgenossen, die Ihre Musik hören, sind halb so alt wie Sie. Westbam: Das Alter spielt nicht ganz die Rolle, die ihm zugesprochen wird. Wenn wir eine Boyband wären, hätten wir in unserem Alter natürlich keine Chance. Aber DJs stehen im Wettbewerb. Ich war auch mal 20, und es gab DJs um die 40. An dieser Konkurrenz der Altersweisen kann man sich reiben. Das Publikum wählt dann aus. Moguai: Es macht auch Jüngeren Spaß, einem Menschen mit musikalischem Wissen und großer Erfahrung in der Kunst des DJ-ing zuzuhören. Westbam: Andererseits müsste auch mehr vom Nachwuchs kommen. Als ich ein Teenie war, habe ich vieles nicht gewusst. Das war aber auch meine Power. Ich habe einen eigenen Stil entwickelt - was mir gar nicht klar war. Jüngere müssten wieder mehr aus Unwissenheit machen, weniger nachahmen.

SZ: Sind Sie den Jungen im Weg? Westbam: Quatsch! Das wäre kontraproduktiv für die Szene. Es ist auch theoretisch nicht möglich. Und andersrum: Kürzlich saß ich in einer Runde bei Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Es ging um die Förderung deutscher Musik mit Quoten. Dagegen bin ich von Natur aus, weil mich kein Künstler interessiert, der vom Staat per Gesetz aufgepäppelt wird. Moguai: Wir unterstützen neue, gute Leute mit unseren Labels. Westbam: Es wird so getan, als gäbe es nur eine Hand voll Promi-DJs. Ich nehme maximal in einer Stadt an einem Abend einen Spielort weg. Bleiben wohl noch 1000 andere Orte übrig.

SZ: Wie weit geht der Kommerz? Westbam: Das böse Wort. Wenn kommerzieller Erfolg der Versuch ist, etwas anders zu machen und dabei bei vielen anzukommen, ist er das Coolste, was es gibt. Ich habe gerne ein großes Publikum und war da nie zimperlich. Moguai: Am Ende steht der Sound. Unsere Musik hat mit dem, was wirklich kommerziell ist, nichts zu tun.

SZ: Wie lange kann man den Party-Lebensstil durchhalten? Westbam: Am Ende des Tages wird es ähnlich aussehen wie beim Rock'n'Roll: Ein paar werden es machen, bis sie 70 sind. Moguai: Bis jetzt hat ja noch keiner offiziell seinen Rücktritt erklärt. Westbam: Deshalb ist es ein spannendes Experiment unserer Generation, das wir live miterleben dürfen!

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