Hertzkammer:Andrew Fletcher

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Depeche Mode hat die Erkennungsmelodien der achtziger Jahre gespielt, die zeitlos großartig und erfolgreich geblieben sind bis heute. Keyboarder Andrew Fletcher ist von Anfang an dabei.

Protokoll: B.Ackermann, J.Temsch

Im Gegensatz zu seinen Kollegen Dave Gahan und Martin Gore hat der 43-Jährige inzwischen zwar noch kein Solo-Album herausgebracht, dafür sein eigenes Label gegründet.

Es heißt "Toast Hawaii" und vermarktet vor allem das Pop-Duo Client. Ansonsten zieht Andrew Fletcher neuerdings als DJ durch die Clubs der Welt. Am Samstag legt Fletcher in der Kranhalle bei der Veranstaltungsreihe "Electronic Open" auf. (Hansastraße 39, 22 Uhr).

Fünf Jobs

"Ich bin ganz schön beschäftigt. Gerade nehmen wir die neue Single von Client auf. Dann fliege ich nach Barcelona, dann nach Genf. Ich habe fünf Jobs gleichzeitig. Einer davon ist das DJing. Eigentlich ist das eher ein Hobby. Ich sehe es als Nebenbeschäftigung zu Depeche Mode, und ich genieße es immer mehr.

Zum ersten Mal machte ich es vor eineinhalb Jahren für Client, seitdem entwickelt sich mein Set ständig weiter. Ich bin nicht wirklich ein Beat-DJ, sondern vor allem ein Song-basierter Aufleger, der sich für Melodien und Strukturen interessiert: für eine Art klassische elektronische Musik aus den Achtzigern, aber auch für Neueres und einige schräge Depeche-Mode-Mixe.

Die alten Sachen ziehen immer noch. Dabei ist das Club-Publikum sehr unterschiedlich. Manchmal sind viele Depeche-Fans da, aber wenn es ein regulärer Club ist, in dem ich als Gast-DJ auflege, kommen die regulären Gäste, nicht extra Leute wegen mir. Natürlich hat Depeche Mode immer noch einen großen Namen.

Seltsame Vorgänge

Manchmal ist das wirklich bizarr: Wenn ich auflege, geht es zu wie auf einem Konzert, obwohl ich ja alleine bin, ohne Martin Gore, Dave Gahan oder Alan Wilder. Das ist schon seltsam: Alles, was ich mache, ist Plattenauflegen, und die Leute starren mich an. Manchmal weiß ich gar nicht, wie ich mich verhalten soll.

Aber das ist ja auch das Schöne am Auflegen: Ich treffe Menschen, sehe viele neue Dinge, lerne Städte richtig kennen. Es ist das echte Leben. Mit Depeche ist immer ein Gefolge um uns rum, Security-Leute und so weiter. Wir fliegen ein in eine Stadt wie München, machen unseren Gig und fliegen danach sofort wieder weg. Demnächst ist es wieder soweit. Martin Gore hat fünf, sechs neue Songs geschrieben. Im Juni gehen wir ins Studio und produzieren ein neues Album.

Auf der Suche nach Künstlern für mein Label zählt für mich der Song - weniger die Stilrichtung. Ein Song muss dich berühren. Woran es liegt, kann ich nicht genau beschreiben.

Geliebte Melodien

Ich liebe Melodien. Depeche Mode war eine Pionierband im elektronischen Bereich. Heute kann jeder zu Hause an seinem PC komponieren. Aber es kommt eben immer noch darauf an, wie man dieses Instrument benutzt.

Die Gitarre ist uralt, niemand erfindet ihren Klang neu, aber immer noch gibt es gute, neue Gitarrenmusik. Und solche gute Musik suche ich auch für Toast Hawaii. Der Name des Labels kommt übrigens von einem Restaurant bei unserem Berliner Studio aus den Achtzigern. Dort aß ich jeden Tag Hawaii-Toast. Der muss eine deutsche Spezialität sein, anderswo auf der Welt gibt es ihn nirgends."

© SZ v. 11.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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