Heidi Klum in München:Frischfleisch für den Laufsteg

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Casting für die neue Staffel von "Germany's next Topmodel": Heidi Klum sucht in München die schönsten Mädchen - und inszeniert sich selbst im großen Stil.

Sarina Pfauth

Jedes Mädchen bekommt heute in München die Chance, von Heidi entdeckt zu werden. Jedes! Kein Wunder also, dass Horden von jungen Frauen angerückt sind, begleitet von Mutti, Freund und bester Freundin. Es geht hier ja um einiges, man möchte fast sagen: um alles! Manche der jungen Damen haben offenbar die feste Absicht, nach dem Casting für die nächste Staffel von "Germany's next Topmodel" gleich nach Mailand und New York weiterzureisen, jedenfalls kommen sie mit großen, vollgestopften Rollkoffern am Messegelände in Riem an.

Alle mögen Heidi: Die Klum und ihre Assistenten Peyman Amin (links) und Rolf Schneider, im Hintergrund die Bewerberinnen. (Foto: Foto: oH)

Heidi Klum, in Fachkreisen die Heidi, hat versprochen, an diesem Adventssamstag nach München zu kommen und sich alle jungen Frauen - im Klum-Jargon "Mädchen" - anzuschauen, die zum öffentlichen Casting erschienen sind. Fast 1400 Fräuleins warten deshalb jetzt darauf, sich dem Supermodel präsentieren zu dürfen. Freunde und Mütter drücken sich die Nase an den Fensterscheiben des Messefoyers platt, sie mussten leider draußen bleiben. Etwa 50 der Teilnehmerinnen werden es in die nächste Runde der Castingshow schaffen. Nach Lena, Barbara und Jennifer soll nun eine vierte junge Dame mit Heidis Hilfe internationale Catwalks erobern. Es gilt, sich anzustrengen - denn die Konkurrenz ist schön.

Die Damen, die weiterkommen wollen, müssen folgendes beachten: Sie müssen gut aussehen. Sie müssen ihre Handys ausschalten. Und sie müssen ihre Kameras wegpacken. Wer nicht spurt, fliegt raus. Sagt der Moderator auf der Bühne.

Nichts geht ohne hohe Absätze

Im Foyer der Messe steht Marilyn aus Hamburg, zusammen mit ihren drei neuen Freundinnen. Die hat sie gerade kennengelernt. Die vier verbinden: Hohe Absätze an den Schuhen und das Schicksal, gleich vor Heidi Klum zu stehen. Marilyn trägt ein kurzes Kleid in schrillen Farben, pink, grün, gelb, schwarz. Sie ist sich ziemlich sicher, in die nächste Runde zu kommen. Warum? "Man schaut sich die anderen ja an". Die junge Dame hat Selbstbewusstsein, keine Frage.

Der schroffe Ton, der im Umgang mit ihr und den restlichen Kandidatinnen angeschlagen wird, stört Marilyn nicht: "Hier sind so viele Mädchen! Da muss man ja Ordnung reinbekommen."

Nachdem der strenge Moderator die Model-Bewerberinnen gebändigt hat und Heidi Klums Jury-Assistenten Peyman Amin und Rolf Schneider aus ihrer weißen Stretchlimousine ausgestiegen sind, kann die Show beginnen. Kamerateams laufen durch die Menge, die neue Staffel wird mit dem Casting starten. Kurz bevor Heidi Klum die Halle betritt, erhalten die Teilnehmerinnen noch zwei Aufträge. Erstens: Wer über den Laufsteg geht, muss nett sein. Gelacht oder getuschelt wird nicht. "Auch nicht, wenn eine 'nen dicken Arsch oder O-Beine hat", ermahnt der Moderator. "Und wenn die Heidi kommt, dann jubelt. Und hört nicht mehr auf!" Klar, Chef.

Noch vier, noch drei, noch zwei Minuten, und dann kommt sie, die Strahle-Heidi: Die Mädchen kreischen und klatschen wie befohlen, und Heidi winkt und flötet: "Haaaallo! Wow! Suuuuper!" Heidi Klum hat ein sehr kleines schwarzes Kleid und hohe schwarze Stiefel mit gigantischen Absätzen an. Heidi lächelt ihr Fruchtgummi-Werbung-Lächeln. In den Stunden danach verrutscht es kein einziges Mal. Beeindruckend.

Vorbild Heidi Superstar

Für die jungen Frauen im Saal ist sie ein Star - und natürlich ein Vorbild. Nathalie, 21 Jahre, und Veronika, 28 Jahre, sind morgens um sechs Uhr in Österreich losgefahren, um "die Heidi" einmal live zu sehen, diese "Super-Karrierefrau". Sie sagen ansonsten das, was eigentlich alle anderen Casting-Kandidatinnen auch sagen vor ihrem eigenen Auftritt: Dass sie schon gerne weiterkommen würden, dass sie aber realistisch seien, man müsste halt mal sehen. Aber das Modelleben lockt: Viele Reisen und spannende Leute - das wär' schon was. Dann nuckeln die Mädchen an ihren Wasserflaschen. Jeweils acht Flaschen sind in einem Karton verpackt. Auf den Kartons: die gedruckte Heidi Klum.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie Heidi Klum und ihre Assistenten die Bewerberinnen begutachten - und was es mit den roten Bändchen auf sich hat.

Der Sender Pro7 hat im Foyer der Messe Riem einen langen Catwalk aufgebaut, ein Mädchen nach dem anderen soll in den nächsten Stunden darüber laufen. Vorne haben sich Heidi und ihre beiden Assistenten Arm in Arm neben weiße Jury-Hocker gestellt. Wer ihnen gefällt, wird rausgezogen und bekommt ein rotes Bändchen um den Arm. Bei allen anderen schweigt die Jury.

Es geht los. Das erste Mädchen läuft. Manche haben ihr Abschlussballkleid aus dem Schrank geholt, andere versuchen, durch einen transparenten Ganzkörperschal oder Lederhose aufzufallen. Aber die Jury ist streng. Die Dame in Lederhose aus Straubing amüsiert Peyman zwar, zur zweiten Runde reicht es trotzdem nicht. Elena, 23 Jahre alt und extra aus Kiel angereist, steht in der Schlange hinter dem Catwalk und hofft, dass sie die Jury mit ihrer selbstgemachten Bluse überzeugen kann. Elena hat sich im vergangenen Jahr schon einmal beworben, damals hatten sie die Modelscouts in Stuttgart aber abgelehnt. Sie will es noch einmal versuchen, dieses Mal schaut sich Heidi die Mädchen ja schließlich auch persönlich an. "Ich habe mir immer gewünscht, vor die Jury zu kommen", sagt sie. "Das ist jetzt die Chance! Die muss ich nutzen!"

Elena läuft. Die Jury schweigt. Elena dreht ab, steuert auf die Treppe zu, die alle Verlierer hinuntergehen müssen - aber dann rennt ihr Rolf doch noch hinterher, sie darf in die nächste Runde. Und vorher das Siegertreppchen benutzen, am vorderen Ende des Laufstegs.

Vor Freude Mama anrufen

Auch Marilyn, die selbstbewusste Blonde aus Hamburg, darf in die nächste Runde. Sie ruft gleich ihre Mutter und eine Freundin an, die freuen sich mit ihr. Und dann wartet sie.

Ob es zum großen Ziel reicht, Germany's next Topmodel zu werden, weiß sie nicht. Sie könnte an der Größe scheitern, 1,73 Meter sei die untere Grenze für Models. Und vielleicht am Gewicht, denn die Heidi-Zöglinge aus vorherigen Staffeln brachten alle nicht mehr als 50, höchstens 52 Kilo auf die Waage. "Da bin ich noch leicht drüber", sagt Marilyn selbstkritisch. Sie setze daher "auf Ausstrahlung".

Die Mädchen, die in die nächste Runde eingezogen sind, halten bislang zusammen, erzählt die 22-Jährige. "Sie leihen sich Wimperntusche und Deo, ist alles noch entspannt." Marilyn heißt sie übrigens, weil ihre Oma ein Monroe-Fan war, "die hat den Namen ausgesucht." Die gelernte Sport- und Fitnesskauffrau träumt von einer Karriere als Topmodel, weil sie reisen will, andere Orte kennenlernen möchte, nicht jeden Tag im Büro sitzen will - und weil sie gerne im Mittelpunkt steht. "Das hört sich jetzt oberflächlich an, aber ich bin nicht nur oberflächlich."

Für den Fall, dass es nicht klappt mit der ganz großen Model-Karriere, hat Marilyn einen Plan B: Dann wolle sie Wedding-Planerin werden, sagt sie.

Die Leute von Pro7 sind am Ende des Tages ziemlich zufrieden. Im Jahr zuvor hatten sie noch Scouts losgeschickt, dieses Mal wollte Heidi Klum selbst dabei sein. Zum ersten Casting in Düsseldorf kamen mehr als 1000 Bewerberinnen, und München lief ebenso gut. Es kamen Freaks und schöne Frauen, die erste Folge ist schon mal gesichert.

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