Haute Couture für alle:Als gäbe es kein Morgen

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Seit Freitag hängt Lagerfeld bei H&M, heißt es. Von wegen, denn nach einer Viertelstunde ist das erste Teil der Kollektion vergriffen. Ein Lagebericht aus der Münchner Innenstadt.

Von Eike Schrimm

Deutsche Kunden fallen längst nicht mehr auf billige Schlussverkäufe herein. Aber am Freitag, da haben sie sich verführen lassen vom neuesten H&M-Coup. Kurz nach neun drängelten sich schon 200 Frauen - und auch ein paar Männer - vor einer Filiale in der Münchner Fußgängerzone. "Das ist doch total peinlich, was wir hier machen", sagt die eine. "Quatsch, das ist Modegeschichte", kontert die andere.

Wie ein Geist schwebt der Schöpfer über seine Kollektion. Aber im Gedrängel ging die Deko-Fahne nach einer halben Stunde unter. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Dann, punkt 9.30 Uhr geht es hoch in den ersten Stock: Auf zehn mal zehn Metern hängt - noch unversehrt - die Kollektion, die Karl Lagerfeld für den Schweden geschneidert hat. Sekunden später ist sie nicht mehr zu sehen, Rücken an Rücken an Rücken wird um die Pole-Position geschubst und geschoben.

Die Marketing-Experten wollten die Nachfrage anfeuern. Deshalb hat nur jeder zweite der 269 H&M-Stores in Deutschland die Lagerfeld-Klamotte abbekommen. Der Trick hat funktioniert: Um 9.45 Uhr sind die T-Shirts ausverkauft, ein paar Minuten später hat es die weißen Blusen erwischt. Wann wird nachgeliefert? "Nie", ruft die Verkäuferin.

Denn die Kollektion ist limitiert, zwar in hoher Auflage, aber eben doch begrenzt. Und so war Lagerfelds Kopf auf einem schlichten Baumwoll-T-Shirt für 14,90 Euro in dieser Münchner Filiale schon eine Viertelstunde nach Geschäftseröffnung Geschichte.

Ein nicht endender Strom von Kaufwilligen fließt stetig über die Rolltreppe heran. Nur wenige schlüpfen in den Schwarz-Weiß-Zwirn: "Wir kaufen, was wir kriegen können, ziehen es daheim an und wenn es uns nicht passt, dann tauschen wir es um", so das einstimmige Motto. Und schnell haben es die Jägerinnen raus, an Blazer, Bluse oder Jeans zu kommen.

Wie Möwen, die bei der Futtersuche Autofähren hinterherfliegen, schwirren sie um die Lagertür herum, aus der die Verkäuferinnen mit Nachschub kommen. Tops, Gürtel, Ringe, Handschuhe oder Abendkleider schaffen es gar nicht erst bis zum Ständer, schon auf dem Weg dorthin ist die Ware vergriffen.

Manchmal stellt sich sofort Ernüchertung ein: "Ach, das ist schon wieder die Bluse mit dem Schlabberlatz. Die will ich nicht." Und schon hängt das Stück irgendwo zwischen stinknormalen H&M-Daunen-Jacken. "Ich find's ein bisschen teuer", schränkt ein kühlerer Kopf ein. Aber Leder, Seide oder Wolle haben eben ihren Preis, erst recht, wenn sich einer wie Karl Lagerfeld an ihnen vergreift.

An der Kasse wickelt ein Angestellter die dreiteilige Designer-Beute in Seidenpapier, die Kundin strahlt dazu - auch wenn zur gleichen Zeit 289 Euro vom Konto abgebucht werden.

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