"Hauptbauhof":Riesenkrater in der Schalterhalle

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Stollen, Träger, Stützkorsette: Der Hauptbahnhof wird für den zweiten S-Bahn-Tunnel 40 Meter tief unterhöhlt. An manchen Stellen stoßen die Statiker "an die grundsätzlichen Grenzen der Machbarkeit."

Dominik Hutter

Vermutlich wäre eine Umbenennung sinnvoll: in Hauptbauhof. Was sich beim Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in, um und unter Münchens zentraler Bahnstation abspielen wird, ist mit dem Begriff "Baustelle" nur unzureichend beschrieben.

Die meisten Fahrgäste werden den vertrauten Ort schon nach kurzer Zeit nicht mehr wiedererkennen: Wo heute noch die Eingangshalle mit ihren Fahrkartenschaltern ist, wird ein gigantisches Loch klaffen, und den Hauptzugang zum Sperrengeschoss der U-Bahn sollten Hobby-Archivare schon einmal vorsorglich per Foto dokumentieren.

Statisch kompliziert wird es rund um die viergleisige U1/U2-Station, die direkt oberhalb des neuen S-Bahnhofs liegt und daher aufwändig abgestützt werden muss. Aus Sicht von Bahn-Projektleiter Albert Scheller stößt man dort "an die grundsätzlichen Grenzen der Machbarkeit." So müssen, bevor man überhaupt mit der Buddelei für die S-Bahn beginnen kann, erst einmal Hilfsstollen unter dem U-Bahnhof ausgehoben werden - um ein gigantisches Trägergerüst einzuziehen, das das Bauwerk unterfängt.

Schalterhalle muss weitgehend abgebrochen werden

Für Notfälle steht in den Stollen eine hydraulische Pressenanlage zur Verfügung, die Setzungen des Erdreichs ausgleichen kann. Zusätzlich wird die Station von innen verstärkt - unter anderem über ein wenig dekoratives Stützkorsett, das zwischen den Mittelsäulen der Bahnsteig-Ebene montiert wird. "Die Geologie im Münchner Untergrund ist aber beherrschbar", beruhigt Scheller. Man verfüge schließlich über reichlich Erfahrung vom U-Bahn- wie S-Bahn-Bau.

Gebaut wird der neue S-Bahnhof gleich von mehreren Seiten aus: bergmännisch über die sich von Laim in Richtung Osten fräsenden Tunnelbohrmaschinen. Und von oben über drei Schächte. Zwei Startlöcher sind am nördlichen Bahnhofplatz und an der Bayerstraße geplant - von dort aus buddeln sich die Maschinen unterirdisch zur Bahnhofsmitte vor, wo die Station in 42 Metern Tiefe entsteht. Das dritte Loch dient dem Bau des großen, 40 mal 60 Meter umfassenden Zugangsbauwerks, das inmitten der Schalterhalle ausgehoben wird.

Die Halle muss dafür weitgehend abgebrochen werden - samt Dach und U-Bahn-Abgang. Um die Baumaschinen hinein zu bringen, sollen laut Scheller zudem entweder der nördliche Ladehof oder aber die große Glasfassade samt Uhr und Vordach weichen. Der Bahnhofplatz wird für Autos gesperrt - lediglich Taxis, Busse und die Trambahn dürfen noch durch. Scheller schätzt die Bauzeit auf fünf Jahre. Start wäre, falls alles klappt im Planfeststellungsverfahren, Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres.

An der Wiesenstation wird's noch enger

Mit Beginn der Bauarbeiten werden dann große Bereiche rund um den Hauptbahnhof per Bauzaun zu Lager- und Lieferflächen erklärt - 1300 Quadratmeter des nördlichen Bahnhofplatzes etwa, 1700 an der Bayerstraße, 1800 an der Arnulfstraße und 1050 an der Schützenstraße, wo der Ostaufgang des neuen Bahnhofs untergebracht wird.

Die Baustellenfläche in der Schalterhalle soll sogar 5600 Quadratmeter umfassen - und möglicherweise, damit Fußgänger weiterhin passieren können, mit einer provisorischen, vollständig eingehausten Brückenkonstruktion überspannt werden. Bei dem zentralen Zugangsbauwerk, dem so genannten Nukleus, handelt es sich um ein großzügiges Treppenhaus, das direkt ins sechste Untergeschoss zum S-Bahnsteig führen und auch Tageslicht nach unten lassen soll.

"Unterwegs" gibt es Verbindungsgänge zu den beiden U-Bahnhöfen. Im Falle der U1/U2 geht es dabei eher umständlich zu - der Weg führt vom dritten Untergeschoss des Nukleus aus erst einmal wieder nach oben ins Verteilergeschoss des U-Bahnhofs. Danach muss man erneut den Weg nach unten antreten.

Die U4/U5 wird übers vierte Untergeschoss angebunden - per Durchbruch auf den bestehenden Bahnsteig. MVG-Chef Herbert König graut es schon bei dieser Vorstellung. Durch die neuen Aufgänge fallen viele Quadratmeter Bahnsteigfläche weg - und das bei einer Station, die zur Wiesn-Zeit regelmäßig wegen Überfüllung gesperrt werden muss.

© SZ vom 14. Januar 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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