Hauptbahnhof wird Großbaustelle:Wenn der Verkehr 40 Meter tief in die Erde wächst

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Große Lösungen bevorzugt: Der zweite S-Bahn-Tunnel und der Neubau des Hauptbahnhofs sollen auf Wunsch des Planungsreferats gleichzeitig und in einem Rutsch über die Bühne gehen.

Dominik Hutter

Ein Peu-à-peu-Verfahren, wie es die Bahn offenbar aus finanziellen Gründen anstrebt, hätte eine Endlosbaustelle in zentraler Lage zur Folge, die die Stadt unbedingt vermeiden will. Im März soll nun die Entscheidung zwischen den verbliebenen zwei Neubauvarianten fallen.

Die berühmte Fassade des Hauptbahnhofs soll beim Umbau durch eine neue ersetzt werden. (Foto: Foto: Hudec/ sueddeutsche.de)

Derzeit sind noch die Bahnhofsentwürfe der Büros Auer&Weber sowie Gewers, Kühn und Kühn im Rennen, die bis März überarbeitet werden müssen. Noch im gleichen Monat will die Bahn entscheiden, welchem Entwurf das aus den 1950er Jahren stammende Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs weichen muss - und in welchem Zeitraum der komplizierte Abbruch plus Wiederaufbau bei laufendem Betrieb vonstatten gehen soll.

Das städtische Planungsreferat drängt zur Eile: Denn der Bahnhofplatz samt Umgebung, der ohnehin zwischen Ende 2006 und Ende 2011 zur Monsterbaustelle wird, sollte möglichst 2012 wieder frei sein. Heißt: Die Fassade des neuen Empfangsbaus muss bis dahin stehen - und zwar auf voller Pracht und Länge, was nach den bisherigen Bauabschnittsplanungen der Bahn keineswegs selbstverständlich ist.

Doch keine preisgünstige "Mäusegänge"

Zu Hilfe kommt den Planern dabei ein Treppenhaus - der so genannte Nukleus, der künftig die Verbindung zwischen Schalterhalle, den beiden U-Bahnhöfen und der dann in 40 Metern Tiefe gelegenen zweiten S-Bahn-Stammstrecke bilden soll. Dieses Bauwerk, einst in Form preisgünstiger "Mäusegänge" geplant, wurde auf Wunsch der Stadt sehr großzügig umgeplant - damit die doch sehr tief gelegene Station weniger beklemmend wirkt. Aber die lichte Weite, die wegen der Fluchtwege auch die Feuerwehr freuen wird, hat ihren Preis: Um den Nukleus zu bauen, müssen große Teile der Schalterhalle abgebrochen werden.

Da wäre es doch naheliegend, findet Stadtplaner Erhard Thiel, gleich das gesamte Gebäude in einem Aufwasch abzureißen und neu zu bauen. Einer Torsobildung müsse unbedingt vorgebeugt werden, heißt es daher in einer Beschlussvorlage des Planungsreferats, die der Stadtrat im Dezember einstimmig verabschiedet hat. In ursprünglichen Planungen der Bahn war hingegen von sechs Bauabschnitten die Rede gewesen. Zur Disposition stehen lediglich der Empfangsbau am Bahnhofplatz und die Schalterhalle - der erst jüngst umgebaute Gastrobereich und auch die Gleishalle bleiben unverändert erhalten.

Ein weiteres Problem mit dem Nukleus konnten Stadt und Bahn unkompliziert lösen: Denn das Treppen-, Rolltreppen- und Aufzugsbauwerk trifft in 18Metern Tiefe auf einen Phantomkorridor - die laut Stadtratsbeschluss langfristig freizuhaltende Trasse für "München21", die direkt unter der Schalterhalle verläuft. Der Nukleus müsste also, sofern man sich irgendwann zur Tieferlegung einiger Ferngleise durchringt, teilweise wieder abgebrochen und in neuer Form wieder aufgebaut werden. Das würde nach heutigen Schätzungen rund 30 Millionen Euro kosten - von den Behinderungen des dann längst laufenden S-Bahn-Betriebs ganz zu schweigen.

Röhrengewirr im Untergrund

Nun aber haben die Planer einen Alternativkorridor für "München21" gefunden - keine leichte Sache in einem Untergrund, der vor lauter Kanal-, U-Bahn- und S-Bahn-Röhren schon Schweizer-Käse-Qualitäten aufweist. Er verläuft leicht nach Süden, versetzt in 40 Meter Tiefe - etwa zwischen der alten "München21"-Strecke und den U4/U5-Röhren unterhalb der Bayerstraße. Um künftigen Generationen nichts zu verbauen, werden nun beide Trassenalternativen offen gehalten.

Unklar ist noch, ob auch die Gleishalle unterkellert wird. Das Planungsreferat wünscht sich an dieser Stelle ein zusätzliches Untergeschoss als Verbindungsgang - damit die Umsteiger zwischen erster und zweiter S-Bahn-Stammstrecke nicht durchs U-Bahn-Sperrengeschoss laufen müssen. Weiterer Effekt: Der Weg zwischen bestehender S-Bahn und U4/U5 würde verkürzt - er verläuft heute reichlich umständlich über den oberirdischen Querbahnsteig.

In den S-Bahn- und Bahnhofsplänen der DB aber taucht diese Etage nicht auf. Sie gehört zum umstrittenen Thema Transrapid, der das Röhrengewirr im Untergrund durch eine weitere Station unterhalb der Gleise 23 bis 26 bereichern soll. Dieser Bahnhof in rund 18Metern Tiefe wäre dann über dieses Untergeschoss zu erreichen. Erwünschte Bauzeit laut bayerischer Staatsregierung: etwa 2006 bis 2011, wie die S-Bahn also. Nach Auskunft der Bahn ist es aber noch unklar, wie umfangreich dieses Tiefgeschoss ausfallen wird - allein für die Magnetschwebebahn würde es auch eine kleinere Lösung tun.

© SZ vom 9. Januar 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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