Harry Potter:Der Beziehungskiller

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Der Bengel aus Hogwarts ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Leser jenseits der Pubertät.

Von Karl Forster

(SZ vom 6.11.2003) - So so, Harry Potter ist also kein Kinderbuch. Sagt Bayerns Sozialministerin Christa Stewens. Sagt Münchens Jugendamt. Zu brutal, zu blutrünstig. Und überhaupt: Kommt es im neuen Band nicht zu sexuellen Handlungen?

Nun ja, Harry küsst Cho. Das hat es bisher nicht gegeben. Da muss man als Sozialministerin schon aufpassen. Sonst fangen Zwölfjährige heutzutage nicht nur an, Bier zu trinken und Zigaretten zu rauchen, sondern auch zu küssen. Und wie das endet, weiß man ja.

Harry, der Lump!

Doch wer warnt die Erwachsenen vor Harry Potter? Klar, Erwachsene dürfen küssen. Aber trotzdem ist der Bengel aus Hogwarts eine nicht zu unterschätzende Gefahr vor allem für Leser und noch viel mehr für Leserinnen jenseits der Pubertät. Man könnte sogar so weit gehen und sagen: Harry, der Lump, ist ein Beziehungskiller! Beweise gefällig?

Tom W., glücklicher Vater zweier Kinder im Vorschulalter, gibt vor, Harry Potters Abenteuer nur deswegen gekauft zu haben, damit seine Kleinen später, wenn sie lesen können, auch was zu lesen haben. Und was passiert? Tagelang obliegt es nun Toms Gattin Ute, die Kids zu versorgen, zu putzen, zu kochen, zu waschen und sogar den Grill anzuwerfen, sonst eherne Mannespflicht.

Der aber: hat sich krank gemeldet, eingesperrt, verweigert jede Nahrung, wäscht sich nicht, putzt keine Zähne mehr, schimmelt vor sich hin, bis er - endlich- alle Bände durch hat und Tage später, bartstoppelig und Robinson Crusoe nicht unähnlich, wieder auftaucht, zum Grill geht, mit dem Finger auf die Kohle deutet, leise "Incendio!" murmelt und sich wundert, dass der Grill nicht auf Harry Potters Zauberspruch hört.

"Spülmaschineinräumio!"

Oder Elsbeth. Glücklich verliebt. Fährt mit dem Glück in Urlaub. Hat den neuesten Harry Potter im Gepäck. Holt ihn jenseits der Stadtgrenze raus, obwohl ihr doch sonst immer schlecht wird, wenn sie im Auto liest. Und verschlingt die ersten Worte: "The hottest day of the summer so far..." Von da an war die Kommunikation eher einseitig. "Schatz, hast du Durst?" "Mmpf." "Schatz, schau mal in der Karte nach." "Mmpf." "Schatz, musst du nicht pinkeln?" "Mmpf."

Die Urlaubstage vergingen, Elsbeth war bereits mit Harry Potter verheiratet, hatte drei Potter-Kinder, wirkte in der Küche mit selbst erfundenen Zaubersprüchen ("Spülmaschineinräumio!") und wollte gerade Lord Voldemort an den Kragen ("Stirb, du Kanaille!"), da war das Buch zu Ende. "Kannst du bitte halten, ich muss pinkeln." Gottseidank.

Frau Stewens, Sie sollten Harry Potter verbieten, vor allem nicht allein stehenden Erwachsenen.

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