Hans Söllners Album "Oiwei I":Alte Mischung, neu gerollt

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Normalerweise preisen Plattenfirmen ihre Künstler an, indem sie die kommerziellen Erfolge auflisten. Bei Hans Söllners stehen die Prozesse im Vordergund.

Von Jochen Temsch

Normalerweise preisen Plattenfirmen ihre Künstler an, indem sie die kommerziellen Erfolge auflisten. Nicht so das Label Trikont, auf dem soeben die "an einem Nachmittag im September" aufgenommene Neue von Hans Söllner "Oiwei I" sowie die Wiederveröffentlichung seines Musikfilmes "Wer bloß lacht, is ned frei!" von 1995 auf DVD erschienen sind. Den meisten Platz auf der Presse-Information zu diesen Werken nimmt die Rubrik "Söllner-Prozesse - ein kurzer Überblick" ein. Darunter kann man nachlesen, warum sich eine Polizistin namens Claudia jedes einzelne Mal beleidigt fühlt, wenn Söllner das Lied "Nennen wir sie Irmgard" spielt.

Das Cover von Oiwei I (Foto: Foto: oh)

Inzwischen geht es in diesem Fall um 280.000 Euro. Gestern, pünktlich zum Veröffentlichungstermin der CD, verhandelte das Amtsgericht Augsburg. Außerdem gibt es ein aktuelles Verfahren wegen des Songs "Mei Angst", in dem Söllner dichtet: "Früher hams Hitler g'heißn und Himmler, heute heißens Beckstein und Haider." Die Verhandlung ist am 17. Februar.

Wie wenig ihm die Obrigkeit die Kehle zuschnüren kann, ruft Hans Söllner gleich im ersten Lied seines neuen Albums demonstrativ heraus. Der Song heißt "A Drecksau is a Drecksau" und hat den Refrain: "A Drecksau bleibt a Drecksau, egal wohers kimmt. A Drecksau bleibt a Drecksau, Staatsanwalt oder Präsident. A Drecksau bleibt a Drecksau, Namen san egal - Hitler, Bush, Blair, international."

Und so schließt sich der Kreis zwischen jüngster Vergangenheit und Gegenwart und wahrscheinlich aller Ewigkeit des Gesamtkonzeptes Hans Söllner, das der 48-jährige "wuide Hund von Reichenhall" als Dichter, Komponist und Persönlichkeit im Konzert- und Gerichtssaal verkörpert.

Als Identifikationsfigur der Alternativen kämpft Söllner immer noch als einer stellvertretend für alle, die sich vom System benachteiligt, vom Staat unterdrückt, trotz Reggae-Lebensgefühl aber dem Dorfplatz näher fühlen als Kingston Town.

Wie sie auf Jamaika Patois sprechen, sprechsingt der Liedermacher in seinem Dialekt, und zwar in einer Direktheit und Vulgarität, wie sie genau so auch am Stammtisch zu hören ist. Es ist immer noch diese Entgegnung in Verbalkeulenform auf die "bayerische Art" des Innenminister-Jargons: eine grobe Einfachheit der Verse, die Söllner als Volksmusiker, als Musiker der Volkes, zumindest des linken, kiffenden Bevölkerungsanteils ausweist.

Die Würdigung der Heimat, die er als Thema den schunkelnden und alkoholmissbrauchenden Kreisen entreißt, findet auf "Oiwei I" im lokalpatriotischen und schlichtweg griabigen Song "Krautmo" ihren Höhepunkt. Darin wird ein bayerischer Krautmann eingeladen, sich auf ein Pfeifchen zum Ratschen in die Stube zu hocken - sein "sauguades" Kraut muss nicht gekocht, nur angezündet werden.

Neben Rauchsuaden und Kampfliedern finden sich auch einfühlsame Balladen und Songs von saftiger Lebenslust auf dem Album - die alte Mischung, von Söllners neu mit Akkordeon, Keyboards und Bläsern besetzter Band Bayaman' Sissdem dieses Mal außer in Reggae- auch in Country-, Folk- und Cajun-Blättchen gerollt.

So stilistisch außergewöhnlich abwechslungsreich "Oiwei I" geworden ist, so bewährt söllnerisch ist das Werk. So wertkonservativ. Echt bayerisch.

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