Günther Kaufmann:Die Rolle seines Lebens

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Am Dienstag beginnt der Prozess um den bizarrsten Kriminalfall der Münchner Nachkriegsgeschichte. Es geht um den gewaltsamen Tod eines Steuerberaters — und um die Rolle, die der Schauspieler dabei gespielt hat.

Von Alexander Krug

Um diesen Kriminalfall spannt sich inzwischen ein Geflecht von Beschuldigungen, Verdächtigungen und Spekulationen , das kaum mehr zu entwirren ist.

Er spielt eine undurchsichtige Rolle: Günther Kaufmann. Foto: dpa (Foto: N/A)

Vom Dienstag an wird am Schwurgericht München I drei Männern der Prozess gemacht. Raub mit Todesfolge lautet die Anklage. Es geht um den gewaltsamen Tod eines Steuerberaters vor mehr als drei Jahren und es geht um die Rolle, die der Schauspieler Günther Kaufmann, 56, dabei spielte.

Tod durch Erstickung

Am 2. Februar 2001 wird in einer Villa in der Wilhelm-Weitling-Straße in Großhadern der Steuerberater Hartmut Hagen, 60, tot aufgefunden.

Die Leiche liegt bäuchlings auf dem Boden, die Hose ist bis auf die Oberschenkel heruntergezogen, daneben liegen Reste einer Fesselung aus Kabeln und Klebeband.

Außerdem ist eine Wolldecke über seinen Kopf gestülpt. Gerichts-mediziner stellen später fest, dass Hagen durch eine "Behinderung der peripheren Atmung durch Druckbelastung des Brustkorbes in Verbindung mit der Durchgängigkeit der Atemöffnungen" erstickt ist.

850.000 Mark Schulden

Die Ermittler finden schnell heraus, dass Hagen mit dem Schauspieler Günther Kaufmann befreundet war und ihm, beziehungsweise seiner Ehefrau Alexandra, hohe Geldsummen, angeblich 850.000 Mark, geliehen hatte.

Nur sechs Tage nach der Entdeckung der Leiche gesteht Kaufmann, Hagen im Streit um diese Darlehen getötet zu haben. Der Schauspieler will sich mit seinen 117 Kilo auf Hagens Gesicht geworfen und ihn so erstickt haben.

Im Juni 2002 wird Kaufmann am Schwurgericht wegen Mordes angeklagt. Der Schauspieler legt erneut ein Geständnis ab, bestreitet aber in Mordabsicht gehandelt zu haben.

Während des Verfahrens stellt sich heraus, dass Kaufmann nicht allein am Tatort gewesen sein kann. Etliche Spuren deuten auf Mittäter hin, doch der Angeklagte schweigt zu diesen neuen Indizien eisern.

15 Jahre Haft für Kaufmann

Der Prozess wird ausgesetzt, im November 2002 fängt er von vorne an. Am Ende gesteht der Staatsanwalt ein: "Wir sind gescheitert, wir wissen die ganze Geschichte immer noch nicht."

Kaufmann wird wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Schauspieler nimmt das Urteil sofort an.

Die Wende ereignet sich am 14. Februar 2003: An diesem Tag meldet sich eine Zeugin bei der Berliner Kripo und erklärt, nicht Kaufmann, sondern drei andere Männer hätten den Steuerberater Hagen damals in seinem Haus überfallen.

Bei dem Trio handelt es sich um drei Berliner Kriminelle, die teilweise einschlägig bekannt sind. Der mehrfach vorbestrafte Heinz K., 49, wurde einmal zu sieben Jahren Haft wegen schweren Raubes verurteilt.

Schlüsselfigur: Kaufmanns Ehefrau

Hans-Joachim U., 43, saß ebenfalls bereits wegen Raubes und Diebstahls einige Jahre hinter Gittern. Wolfgang N., 51, hat "nur" eine Vorstrafe wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

Die Schlüsselfigur in diesem Trio ist Hans-Joachim U., die andere ist Kaufmanns Ehefrau. 1986 hatte Kaufmann die blonde Alexandra geheiratet, die bald danach an Knochenkrebs erkrankte.

Die Behandlung verschlang Unsummen; Geld, das sich die 39-Jährige von dem Steuerberater Hagen lieh. Kaufmann soll seine Frau abgöttisch geliebt haben, ob dies auf Gegenseitigkeit beruhte, ist weniger wahrscheinlich.

Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen pflegte Alexandra Kaufmann jahrelang ein Verhältnis mit Hans-Joachim U. Ihn soll sie schließlich beauftragt haben, Hagen in dessen Villa in München zu überfallen.

Möglicherweise sollte das Rollkommando Hagen nur einschüchtern und ihn dazu veranlassen, auf seine Forderungen zu verzichten. In jedem Fall aber versprach sich das Trio einträgliche Beute bei dem als wohlhabend geltenden Hagen.

Zwei Versionen vom Geschehen

Was genau an jenem 1. Februar 2001 in der Villa in Großhadern geschah, ist unklar. Bislang gibt es zwei Versionen. Nach einer lebte Hagen noch, als die drei Männer das Haus mitsamt ihrer Beute verließen.

Nach der anderen, von der die Staatsanwaltschaft bislang ausgeht, erstickte er, zusammengeschnürt und geknebelt auf dem Boden, während das Trio das Haus durchwühlte.

Der Anwalt von Hans-Joachim U., der Münchner Strafverteidiger Florian Schneider, glaubt an die erste Version. Damit aber wäre völlig offen, wer Hagen letztlich umbrachte.

Eine der Schlüsselfiguren, Alexandra Kaufmann, kann nicht mehr vernommen werden. Sie erlag am 19. Mai 2002 ihrem Krebsleiden. Am 2. September 2002 widerruft Günther Kaufmann sein Geständnis. Er habe nur aus Liebe zu seiner Frau alles auf sich genommen, erklärt er. Nun fühle er sich von ihr hintergangen.

Ein neues Leben voller Fragezeichen

Am 25. November 2003 wird Günther Kaufmann aus der Haft entlassen, nach exakt 851 Tagen hinter Gittern. Für ihn beginne ein zweites Leben, verrät er einer Boulevard-Zeitung.

Doch das neue Leben des Günther Kaufmann ist voller Fragezeichen. Am 5. Oktober wird am Augsburger Landgericht sein Prozess noch einmal aufgerollt.

Vorher allerdings muss er am 21. Juli als Zeuge im Verfahren in München aussagen. Welche Rolle Kaufmann dann spielen wird, ist noch offen.

© SZ vom 5. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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