Gregor Amadeus Böhm und Hanna Kolb:Wohnzimmer der Trends

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Die wohl kreativste WG Münchens: Gregor Amadeus Böhm und Hanna Kolb von der Plattenfirma Flowerstreet Records helfen jungen Musikern, im Geschäft Fuß zu fassen.

Michael Bremmer

Privatsphäre? Gibt es nicht. Auf dem Weg zum Bandprobenraum muss man an einem Whirlpool und einer Sauna vorbei. Das kleine Tonstudio befindet sich im Schlafzimmer von Gregor Amadeus Böhm, 26: ein Bett, ein Schrank - ansonsten Gitarren, Verstärker und vor dem Computer das Mischpult.

Buchhaltung und Booking findet man im Zimmer von Hanna Kolb, 26: ein Bett, ein Schrank - zwei Arbeitsplätze, zwei Terminkalender hängen an der Wand. Willkommen bei der vielleicht kreativsten Musik-WG Münchens, willkommen bei der jungen Plattenfirma Flowerstreet Records.

Die Musikindustrie kriselt - aber hier, in Berg am Laim, zeigen zwei junge Menschen, dass es auch anders geht. Das Label existiert seit eineinhalb Jahren und ist bereits in der Gewinnzone. Unter Vertrag genommen werden ausschließlich junge Bands, ausschließlich aus München und Umgebung - das Gespür für neue Talente zahlt sich aus: Die erste EP von Tuó, zwei 16-jährigen Folk-Sängerinnen, war bereits vor dem Erscheinungstermin vergriffen und musste nachgepresst werden.

Die Konzerte und Festivals von Flowerstreet Records sind meist ausverkauft und ziehen extrem junges Publikum an - und musikalische Trend-scouts etablierter Plattenfirmen, denen der Erfolg nicht verborgen geblieben ist.

Das Erfolgsgeheimnis ist simpel: Gregor Amadeus Böhm, selbst Musiker, und Hanna Kolb, Sozialpädagogin, helfen jungen Musikern, im Geschäft Fuß zu fassen. Und sie möchten bei den Newcomerbands die Fehler verhindern, die Böhm am Anfang selbst gemacht hat. Musikalische Nächstenliebe, wenn man so will. Allerdings als Geschäftsmodell, mit Rundumbetreuung: Booking, Management, Promotion, Aufnahmen.

Als junger Musiker erreichte Böhm mehr als viele andere. Seine damalige Band Five!Fast!Hits! gehörte zu den deutschen Indie-Hoffnungen. Die vier Münchner gingen auf Tour mit Bands wie The Rifles. Sie eroberten sich eine Fangemeinde in Großbritannien, nur für den Durchbruch reichte es nicht. Für Böhm eine bittere Erkenntnis und ein Wendepunkt. "Wenn ich nicht von der Musik leben kann, muss ich eine andere Möglichkeit finden", lautete damals sein Standpunkt. Da er für sein Soloprojekt keine geeignete Plattenfirma auftut, gründet er mit Hanna Kolb ein Label. Er, der Kreative, sie, das Organisationsgenie.

Das Erfolgsmodell Flowerstreet Records entsteht per Zufall: Um sein Debüt-Album zu promoten, startet Böhm eine Wohnzimmer-Tour. Man kann ihn nach Hause buchen und Freunde als Vorband spielen lassen. Dabei entdecken sie Talente wie die Band Lucky Fish - mittlerweile bei ihnen unter Vertrag.

Die "jungen Musiker haben so viel Elan, sind so enthusiastisch", schwärmt Böhm. "Diese Ideale gehen schnell verloren, wenn Bands am Verzweifeln sind", sagt er, deswegen möchte er helfen. Möglichkeiten finden, "damit auch andere Menschen Zugang zu diesen Bands bekommen", sagt Hanna Kolb. Hier sind sie erfinderisch. Konzertreihen in verschiedenen Locations bieten sie an. Im Sommer wollen sie auf dem Dach ihrer Plattenfirma ein Konzert organisieren. Im Herbst gibt es ein Festival im Feierwerk mit mehr als 30 Bands.

Ein zweites Label soll folgen: In Bloom Records. Auch hier wollen die beiden "Nachwuchstalente fördern, unterstützen und aus ihnen das Bestmögliche herausholen", sagt Böhm. Angeboten wird, was den Bands am meisten hilft. Eine sehr junge Band, so Böhm, werde zum Beispiel froh über gutes Booking sein, eine andere benötige eher Unterstützung bei der Veröffentlichung ihres Albums.

"Wir wollen nur, was die Bands wollen", sagt Hanna Kolb. Der persönliche Kontakt ist ihnen wichtig; deswegen ist die Flowerstreet-WG längst Musikertreff geworden. Vor vier Monaten sind die beiden zusammengezogen, seitdem, sagt Böhm, "trennen wir noch weniger zwischen Arbeit und privat". Eine "eigene Welt", schwärmt Hanna Kolb, "in der wir zufrieden sind, so wie es ist".

Sie zögert einen Moment und fügt hinzu: "Manchmal ist schon viel los, aber dann mache ich einfach die Tür zu."

© SZ vom 07.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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