Greenpeace deckt auf:Genprodukte in den Gaststätten

Lesezeit: 3 min

Mitarbeiter von Greenpeace registrieren in Lokalen immer wieder Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht.

Von Julius Müller-Meiningen

Wenn man so will, ist Michael Schubaur das positive Beispiel. Schubaur, 36, ist seit fünf Jahren Küchenchef im Ratskeller am Marienplatz und legt bei seinem Speisenangebot nicht nur Wert auf heimische Kost aus kontrolliertem Anbau. Der Koch verzichtet auch auf gentechnisch veränderte Lebensmittel.

Genmanipulierter Mais. (Foto: Foto: AP)

Für ihn ist das eine Selbstverständlichkeit, er macht es "aus Überzeugung" und weil er langfristig "gesundheitliche Schäden" befürchtet. Gemüse, Getreide, Öl - hier muss seiner Ansicht nach noch mehr auf Qualität geachtet werden. Was gentechnisch veränderte Produkte angeht, fehle bei vielen seiner Küchenkollegen noch das Bewusstsein.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat ähnliche Erfahrungen gemacht, als sie von November 2006 bis März dieses Jahres 125 zufällig ausgewählte Gaststätten in München auf die Verwendung von gentechnisch veränderten Speiseölen überprüfte: In mindestens 20 Prozent der von Greenpeace-Aktivisten befragten Lokale wurde gegen die vor drei Jahren in Kraft getretene Kennzeichnungspflicht auf der Speisekarte verstoßen.

In vielen Fällen sei es vorgekommen, dass die EU-Verordnung vom 18. April 2004 zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel in den Lokalen gar nicht bekannt war. "Es passiert laufend, dass Gastwirte von der Verordnung gar nichts wissen", berichtet Klaus Müller von Greenpeace München.

Seit Bestehen der Verordnung müssen Gastwirte, Kantinen-, Standbetreiber, aber vor allem auch die Hersteller auf gentechnisch veränderte Zutaten hinweisen.

Meist geschieht das mit einem für die Kunden kaum wahrnehmbaren Hinweis in der Zutatenliste. Laut Greenpeace handelt es sich bei der Gentechnik bei Lebensmitteln um eine "gefährliche Risikotechnologie", deren ökologische und gesundheitliche Risiken "immer deutlicher" werden.

Fällig ist die Kennzeichnung zum Beispiel bei Produkten, die Gensoja, Gen-mais, Genraps sowie deren Verarbeitungsprodukte wie Sojaöl, Lezithin und Maisstärke enthalten. "Einige Asiaprodukte, möglicherweise auch Speiseeis, enthalten genmanipulierte Zutaten" sagt Müller.

Fehlt die Kennzeichnung auf der Verpackung oder Speisekarte, machen sich Verkäufer und Wirte strafbar. Ein Wirt, der in seiner Speisekarte nicht angibt, dass er für die Zubereitung des Essens gentechnisch veränderte Speiseöle zum Braten oder Frittieren verwendet, riskiert ein Bußgeld von bis zu 50 000 Euro.

Greenpeace geht davon aus, dass sich zwar der überwiegende Teil der Hersteller an die drei Jahre alte Gesetzeslage hält. Im Internet hat die Umweltorganisation dennoch eine "Schwarze Liste der Genölhändler" veröffentlicht. Zwei der zehn aufgeführten Großhändler stammten aus München (Hamberger Großmarkt GmbH) und Umgebung (Vierlande GmbH in Hohenbrunn).

"Wir machen eigentlich den Job der Lebensmittelüberwachung", sagt der bei Greenpeace für Gentechnik zuständige Müller und kritisiert die zuständigen Behörden. Der Verdacht liege nahe, dass die Lebensmittelüberwachung nicht ausreichend kontrolliere.

Das Problem der mangelnden Kennzeichnung in Gaststätten erstreckt sich nach den Greenpeace-Recherchen aber nicht nur auf die Landeshauptstadt, sondern auf ganz Bayern.

Auch in Wolfratshausen und Regensburg hätten Stichproben ergeben, dass mindestens 20 Prozent der Wirtsbetriebe sich nicht an die Verordnung halten. Die Schuld sieht Müller deshalb beim bayerischen Verbraucher-schutzminister: "Werner Schnappauf hat auf ganzer Linie versagt."

Noch Monate nach Inkrafttreten sei die umfassende Kennzeichnungspflicht in der bayerischen Gastronomie im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht umgesetzt worden. Erst im Januar 2006 habe der Minister angekündigt, seinen laut Greenpeace "verbraucherfeindlichen Kurs" zu ändern.

Taten, also mehr und genauere Lebensmittelkontrollen, seien den Worten aber nicht gefolgt, sagt Müller. Mit der Stadt München, die sich im Juli 2006 etwas vollmundig selbst zur "Biostadt" erklärte, geht Greenpeace schonender um, obwohl auch hier die Quote der gegen die Verordnung verstoßenden Lokale den Nachforschungen der Umweltschützer zufolge hoch ist.

Der städtische Betrieb Markthallen München hat sich gegen den Verkauf genmanipulierter Lebensmittel ausgesprochen und will seine Mieter zum freiwilligen Verzicht auffordern.

In einer Anfrage der Stadträtinnen Sabine Krieger (siehe Interview rechts) und Lydia Dietrich an Oberbürgermeister Christian Ude fordern die beiden Grünen Aufklärung, was die Arbeit der Lebensmittelüberwachung in München zur Kontrolle der Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel angeht. Noch liegt keine Antwort vor. Bis Mittwoch, 18. April, muss die Anfrage bearbeitet werden.

Obwohl nach Greenpeace-Informationen 75 Prozent der Verbraucher in Deutschland den Einsatz von Gentechnik in Lebensmitteln ablehnen, weil gesundheitliche Risiken beim Verzehr nicht ausgeschlossen werden können, würde der Großhandel immer noch gentechnisch veränderte Öle verkaufen.

Dabei sei der Preisunterschied zu herkömmlichem Öl sehr gering, sagt Müller. In Supermärkten seien derzeit keine gekennzeichneten gentechnisch veränderten Lebensmittel zu kaufen.

© SZ vom 14.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: