Glücksspiel-Komplex genehmigt:Alles auf eine Karte

Lesezeit: 2 min

Es darf gezockt werden: Die Stadt München verzichtet auf weitere Rechtsmittel gegen den geplanten Glücksspiel-Komplex an der Hansastraße. Das größte Zockerparadies Deutschlands soll nun entstehen - doch ein Hintertürchen hat die Stadt noch.

Dominik Hutter

Die Stadt verzichtet auf weitere Rechtsmittel gegen das geplante Glücksspiel-Dorado an der Hansastraße, der Komplex mit künftig 213 Automaten in 18 Hallen erhält nach monatelangem Tauziehen eine Genehmigung.

Das schnelle Geld - das machen vor allem Betreiber von Spielhallen. An der Hansastraße soll ein riesiger Gebäudekomplex mit Spielautomaten entstehen. Die Stadt befürchtet, bei einem weiteren Rechtsstreit Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe zahlen zu müssen. (Foto: dpa)

Hintergrund des Beschlusses, den die Mehrheit des Kreisverwaltungsausschusses in nichtöffentlicher Sitzung fällte, ist nicht etwa die neu erwachte Leidenschaft am schnellen Geld - der Stadtrat sieht schlicht keine Chancen mehr, Deutschlands größten Spielhallenkomplex noch zu verhindern.

Allerdings hat die Verwaltung ein Hintertürchen entdeckt. Denn voraussichtlich zum 1. Juli 2012 tritt ein neues Glücksspielgesetz in Kraft, das Zockerparadiese in dieser Größenordnung verbietet. Für die Hansastraße gilt dann eine einjährige Übergangsfrist - sodass die Genehmigung schon zum 1. Juli 2013 wieder ausläuft.

Ein neuer Rechtsstreit zwischen Stadt und Investor, der VGL Betriebsgesellschaft in Bochum, ist damit nicht unwahrscheinlich. Denn hätte die Stadt ihre Genehmigung schon vor dem Stichtag 28. Oktober 2011 herausgerückt, könnte die Hansastraße auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes auf eine fünfjährige Übergangsfrist bauen.

Tatsächlich hatte der Investor seinen Antrag schon am 1. März 2011 gestellt - dass der Stichtag nun verstrichen ist, liegt an dem von der Stadt angezettelten Rechtsstreit, den die VGL obendrein gewonnen hat. Die Bochumer Firma hält sich bislang bedeckt. Kein Kommentar zu den Vorgängen in München, heißt es aus der Zentrale.

Im Rathaus wird die rasche Ausbreitung von Spielhöllen seit längerem mit Sorge betrachtet. Aktuell gibt es 219 Hallen an 105 Adressen - noch 1990 konnten spielwütige Münchner nur zwischen 31 Salons wählen. Entsprechend laut schrillten die Alarmglocken, als der Antrag für die Hansastraße beim zuständigen Kreisverwaltungsreferenten Wilfried Blume-Beyerle einging. In der früheren Karthalle gibt es bereits sechs Spielhallen, weitere zwölf plus ein Schnellrestaurant sollen nun dazukommen.

Die Adresse gilt wegen des benachbarten Straßenstrichs sowie des wenige hundert Meter entfernten Jugendkulturzentrums Feierwerk als heikel. Der Stadtrat hatte deshalb im Juni 2011 beschlossen, sämtliche Rechtsmittel gegen das Projekt auszuschöpfen. Vor dem Verwaltungsgericht fing sich München jedoch eine "krachende Niederlage" ein, wie es Blume-Beyerle ausdrückt. Um Schadenersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe zu vermeiden, will die Stadt nun die Waffen strecken.

Bei der CSU zeigt man sich wenig begeistert über die nachgiebige Haltung - die Konservativen stimmten als einzige gegen Blume-Beyerles Vorschlag. "Wir sollten alle Mittel ausschöpfen", findet CSU-Stadtrat Michael Kuffer. Schließlich werde die Stadt mit den 18 direkt nebeneinanderliegenden Hallen eines einzigen Investors "schlicht gelinkt" - Hintergrund ist die gesetzliche Grenze von maximal zwölf Automaten je Halle. Nach Einschätzung Kuffers wäre die Stadt auch bei einer Fortsetzung des Rechtsstreits "nicht chancenlos" gewesen.

Auch Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker ist nicht wirklich glücklich über den Beschluss. Er sei aber allemal noch besser, als "sehenden Auges in eine Niederlage zu rennen", die obendrein viel Geld kosten kann. Sein SPD-Kollege Josef Assal macht den Freistaat für die Münchner Glücksspiel-Malaise verantwortlich und fordert, "endlich zu handeln und ein restriktives Landesgesetz zu beschließen". Seit in Berlin ein Mindestabstand zur nächsten Jugendeinrichtung gelte, sei dort keine weitere Spielhalle mehr genehmigt worden.

© SZ vom 29.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: