Glücksspiel-Boom:Ein Milliardengeschäft, das süchtig macht

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Allein im Münchner Bahnhofsviertel gibt es 29 Spielhallen. Der Zutritt zu den Automaten ist meist barrierefrei - auch für Jugendliche.

Roswitha Feger-Risch

Sie heißen Sally, Action Tower oder Super Taifun, leuchten, blinken, lärmen und sind besonders für den Staat sehr einträglich: In Bayern blüht das Geschäft mit Geldspielautomaten.

Innerhalb von vier Jahren haben die Spielhallenkonzessionen in Bayern um fast ein Drittel zugenommen. Gab es im Jahr 2000 noch 802 Spielhallen im Freistaat, so waren es 2004 bereits 1029. Davon profitieren nicht nur die Spielhallenbesitzer. Bereits vor drei Jahren erreichte der Glücksspielmarkt in Deutschland einen Umsatz von 27,2 Milliarden. Die Steuereinnahmen betrugen 4,5 Milliarden.

Eine einträgliche, aber gefährliche Entwicklung: "Je mehr Möglichkeiten zum Glückspiel vorhanden sind, desto mehr Spielsüchtige gibt es", sagt Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende der Bayerischen Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis bei der 17. Fachtagung des Fachverbands Glücksspielsucht e.V. Erstmals trifft sich der Verband in München.

Spielsucht, so ein Fazit der Tagung, ist ein akutes Problem, denn die Zahl der Geldspielgeräte wird weiter zunehmen. Grund dafür ist die neue Konzessionierung großer Spielhallenketten. Von 1. Januar 2006 an werden noch mehr Spielgeräte pro Quadratmeter Spielfläche erlaubt sein. Bereits heute gibt es beispielsweise im Münchner Bahnhofsviertelquartier nicht weniger als 29 Spielhallen.

Eine davon ist das Las Vegas in der Bayerstraße. Schon um die Mittagszeit sind fast alle Plätze vor den Spielautomaten besetzt. Viele der Spieler sind Jugendliche. Klaus, der die Eingangskontrolle macht, hat die Situation nicht so ganz im Griff, wie er selber sagt. "Man kann auch durch den Sex-Shop nebenan ins Las Vegas kommen, ich kann nicht an zwei Orten gleichzeitig stehen."

Der schnelle Gewinn

Gerade Jugendliche sind der Versuchung eines schnellen Gewinns praktisch schutzlos ausgeliefert, denn anders als Casinos fallen Spielhallen mit Geldspielautomaten unter das Gewerbegesetz. Müssen sich Spieler beim Betreten eines noblen Casinos ausweisen und registrieren lassen, sind die Spielautomaten zum Beispiel in Bars auch für Jugendliche meistens frei zugänglich.

Jobst Böning, Vorsitzender der Bayerischen Akademie für Suchtfragen, sieht die Gefahr der Spielsucht gefährlich unterschätzt: "Gerade das kreative, neugierige Gehirn eines Jugendlichen kann mit virtuellen Spielen gut angesprochen werden." Daher sei es ein großes Anliegen der Bayerischen Akademie für Suchtfragen, dass auch die Geldspielautomaten ins Glücksspielgesetz einbezogen werden und Ausweiskontrollen Pflicht sind.

Für Spielsüchtige gibt es im Alltag kaum Barrieren. Ohne Ausweiskontrolle wirkt auch die Selbstsperrung nicht, mit der sich Spielsüchtige den Zutritt zu einem Casino selbst verwehren können. Bei normalen Spielautomaten dagegen muss man den Ausweis nur dann vorlegen, wenn man einen großen Gewinn an der Kasse abholen will.

In diesem Fall bekommt der Spieler das Geld nicht ausbezahlt. Absurd, findet Füchtenschnieder. "Spielsüchtige müssen vom Glückspiel ferngehalten werden, egal ob sie gewinnen oder verlieren."

Zwar gibt es auch im Las Vegas sogenannte Unterhaltungsautomaten, an denen man nicht mit Geld spielt, sondern mit Token aus Plastik. Doch die Tokens müssen an einem Wechselautomaten gegen Geld gekauft werden.

Fachleute schätzen die Zahl behandlungsbedürftiger Spieler zwischen 80000 und 140000 in ganz Deutschland. Bis heute gibt es in Bayern keine stationäre Behandlungsstelle für Spielsüchtige. Dabei ist die Therapie erfolgreich. Über die Hälfte aller behandlungswilliger Spieler kann dauerhaft von der Sucht befreit werden - bei Drogensüchtigen schafft es nur ein Fünftel.

© SZ vom 25. November 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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