Gewerbegebiet Schorn:Kosmetika aus der ehemaligen Käserei

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Aus der Not geboren: Stadt und Kreis Starnberg sowie Landeshauptstadt München teilen sich die ,,Liegenschaft Schorn''

Wolfgang Prochaska

Ein Splitt-Recycling-Unternehmen neben einem großen Modehaus; eine Holzdachfirma hinter einem hippen Surfbrettladen. Dazu das Möbellager der Caritas.

Die 8,5 Hektar große ,,Liegenschaft Schorn'' gleich neben der Garmischer Autobahn dürfte den bizarrsten Branchenmix weit und breit haben. Mehr als 20 Firmen haben sich in den ehemaligen Molkerei-Gebäuden der pleite gegangenen Milchunion Oberbayern angesiedelt, nicht zuletzt angelockt von Billigmieten und viel Platz.

Dies war auch das einzige Mittel des Landkreises Starnberg, um überhaupt das Areal, das man 1992 zusammen mit der Landeshauptstadt München und der Stadt Starnberg für gut 36 Millionen Mark aus der Insolvenzmasse erworben hatte, gewerblich an den Mann zu bringen.

Es ist eine einsam gelegene und reichlich seltsame Gewerbeimmobilie: Schorn liegt sechs Kilometer östlich von Starnberg, zwischen Wiesen, Wäldern, einem Reitgestüt und der Autobahn. Pferde begrüßen den Besucher - und Stille.

Trotz der 180 Arbeitsplätze gibt es so viele Parkplätze, als hätten München und Starnberg hier ihre Parkzonen deponiert. Immer noch stehen die alten, staubigen Hallen der Molkerei. Es muss für potenzielle Investoren ein grausamer Anblick sein, wie auch der Starnberger Wirtschaftsförderer Christoph Winkelkötter einräumt.

Wie ein hässliches Entlein

Winkelkötter würde am liebsten abreißen lassen, um den Eingangsbereich freundlicher zu gestalten. Die einzige architektonische Perle ist das moderne Briefverteilungszentrum der Post, das andeutet, wie viel Potenzial in dem Gelände steckt. Es glaubt nur keiner.

Dass Schorn das Problemkind des Landkreises ist, hören der Wirtschaftsförderer und der Starnberger Landrat Heinrich Frey (CSU) ungern. Schließlich ist die Kreisverwaltung für die Verwaltung und Verpachtung des Geländes zuständig.

Kreiskämmerin Eva John ist froh, dass die Hallen überhaupt verpachtet sind. Die Bilanz bei Ein- und Ausgaben ergebe eine schwarze Null, sagt sie. Es klingt wie ein Erfolg. Immerhin, so die Botschaft, bringt die Verpachtung kein Minus. Denn die Darlehenstilgung, die hinzukommt, beträgt bis zu 400000 Euro pro Jahr. Das belastet bis heute den Kreishaushalt.

Selbst für die beste Kreiskämmerin nicht zu bewältigen

Deshalb plädiert eine Reihe von Starnberger Kreisräten, Schorn in die professionellen Hände eines Projektentwicklers zu geben. Kreisrat Manfred Herz (CSU), der erfolgreich in dieser Branche tätig ist, gehört zu den heftigsten Kritikern der bestehenden Lösung: ,,Selbst die beste Kreiskämmerin kann eine Liegenschaft dieser Größe und Problematik nicht bewältigen.'' Er hält auch die Bilanz für obsolet. Die Kosten für die Instandhaltung und den Unterhalt der alten Gebäude würden nicht erwähnt. ,,Der Erfolg ist, dass der Schaden kleiner ist'', urteilt er nicht ohne Süffisanz.

Tatsächlich ist in Schorn einiges schief gelaufen. Selbst Landrat Frey räumt ein, dass der Kreistag beim Kauf einen teuren Fehler gemacht hat. Die Kaufmotive waren 1992 nämlich völlig anders: Aus dem Milchgelände wollten Starnberg und München einen Müll-Standort machen mit Sortier- und DSD-Anlage. Bürgerproteste verhinderten das Projekt.

Ein Verkauf des Geländes erübrigte sich, da man es weit unter dem Kaufpreis hätte veräußern müssen. Aus dem Müllgebiet im Flächennutzungsplan wurde deshalb 1997 eine Gewerbefläche. Diese, so die Überlegung, könnte man bei entsprechender Entwicklung besser losschlagen. Darauf wartet der Landrat bis heute.

Trotzdem, die Betriebe fühlen sich wohl

Aus der Sicht der Firmen und Betriebe, die sich dort angesiedelt haben, ist Schorn jedoch ideal. Alexandra Wehner, Geschäftsführerin der Recyclingfirma Blues, hat bewusst Schorn gewählt.

Es sei Platz da, die Anfahrt der Lastwagen wegen der nahen Autobahn unproblematisch und die Pacht günstig. ,,Für ein Unternehmen mit hohem Flächenbedarf ist Schorn super.'' Deshalb habe man den Betrieb auch von München hierher verlagert. Apropos Platz: Selbst der Pariser Kosmetikkonzern Clarins ist in Schorn präsent.

Das Auslieferungslager, das ganz Deutschland mit Kosmetika versorgt, ist in der ehemaligen, aber modernisierten Käserei untergebracht. Der Standort Starnberg und Schorn sei ein ,,Wettbewerbsvorteil'', lautet die Einschätzung von Clarins.

Das Modehaus More & More hat sogar seine Verwaltung nach Schorn verlagert; das Outlet-Center war schon vorher auf dem Milchgelände. Kostengründe waren auch bei More & More der entscheidende Faktor, ebenso wie bei der Caritas, die mit ihrer Möbelbörse präsent ist.

Clarins oder More & More: Das Renommee dieser Firmen hat dem Gewerbestandort nicht viel genutzt. Zu sehr schaut Schorn nach Industriebrache aus, zu sehr ähnelt es eher einer verlassenen Siedlung irgendwo im deutschen Osten. 130 Euro verlangt der Landkreis für den Quadratmeter. Ein Kampfpreis, und dennoch hoch, weil moderne Gewerbegebiete eher Parks gleichen und ein Bild von Arbeit vermitteln, das mit Kreativität zu tun hat. Schorn schaut nach Maloche aus.

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