Geständnis:Niemand stoppte Peters Mörder

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Die Behörden und die Eltern kannten die Gefahr für den Jungen - und trotzdem schützten sie ihn nicht vor dem vorbestraften Kindermörder. Jetzt ruft man wieder einmal nach härteren Strafen. Zu spät.

Die Ermittler gaben am Sonntag bekannt, dass der geständige 28-jährige Martin Prinz seine Tat bereits seit Monaten fast ungestört planen konnte, obwohl seit seiner Entlassung im April 2004 bei allen beteiligten Behörden und Gutachtern die Alarmglocken schrillten.

Der mutmaßliche Mörder. (Foto: Foto: ddp)

Wie Polizei und Staatsanwaltschaft berichteten, wurde die Familie des späteren Mordopfers bereits im November vor Prinz gewarnt, nachdem die Bewährungshelferin mitbekommen hatte, dass der ehemalige Zellengenosse von Peters Vater bei der Familie aus und ein ging.

Auch das Münchner Jugendamt wurde Ende Januar eingeschaltet, aber offenbar zu spät: Ein Hausbesuch wurde wenige Tage zuvor für den vergangenen Freitag vereinbart. Doch da war Peter bereits einen Tag tot.

"Seit Monaten Gedanken an den Mord"

Prinz, der bereits 1994 in Regensburg einen Elfjährigen nach einer versuchten Vergewaltigung mit 70 Messerstichen getötet hat und auch im Entlassungsgutachten als gefährlich eingeschätzt wurde, habe seinen neuerlichen Sexualmord detailliert gestanden, sagte Ermittlungschef Harald Pickert.

"In seiner Vernehmung führte er aus, dass er sich bereits seit Monaten mit dem Gedanken getragen hat, den neunjährigen Peter sexuell zu missbrauchen und ihn gegebenenfalls auch zu töten." Prinz habe seit Wochen entsprechende Vorbereitungen getroffen, auch um die Leiche zu beseitigen. "Er hat sich Müllsäcke beschafft und auch Handschellen besorgt", sagte Pickert.

Dem Geständnis zufolge lauerte der 28-Jährige dem Neunjährigen am Donnerstag auf dem Heimweg von der Schule auf und spiegelte ihm vor, dass seine Mutter mit einem seiner Brüder beim Arzt sei und er auf ihn aufpassen solle. Nach einem Imbiss in einem Einkaufszentrum nahm er den Jungen in sein Zimmer in einem Sozialwohnheim mit.

Er sagte ihm, er solle seine nasse Kleidung zum Trocknen ausziehen. Als er dann versuchte, sich an dem Jungen zu vergehen, habe sich Peter gewehrt und gedroht, alles seiner Mutter zu erzählen. Prinz zog dem Jungen laut Polizei daraufhin eine Plastiktüte über den Kopf und zog sie mit einer Schnur zu.

Kalt und emotionslos

Der Mordkommissionschef beschrieb den Täter als kalt und emotionslos. "Er zeigt keinerlei Anzeichen von Reue", betonte der Kriminaloberrat. Prinz habe die Leiche zunächst in einen Schrank gelegt. Nachdem ihn Peters Eltern angerufen hatten, habe er sich sogar an den Suchmaßnahmen beteiligt. Am Abend habe sich Prinz erneut an der Leiche vergangen und sie anschließend in einem Plastiksack in eine Mülltonne geworfen.

Peters Eltern hätten bis zuletzt die Brisanz der Lage nicht erkannt und seien gutgläubig gewesen, "obwohl sie bereits wussten, dass es sich um einen vorurteilten Mörder handelte", fügte Oberstaatsanwalt Peter Boie hinzu. Der ebenfalls wegen eines Sexualdelikts vorbestrafte Vater habe den Mörder in einer Therapie im Gefängnis kennen gelernt.

Nachdem die Familie trotz Warnung weiter Kontakt mit Prinz hielt, schaltete die Bewährungshelferin am 28. Januar das Jugendamt ein, das laut dem Münchner Sozialreferenten Friedrich Graffe sofort ein Verdachtsverfahren einleitete. In der darauf folgenden Woche habe das Amt Kontakt mit Lehrern und Kinderbetreuern von Peters Geschwistern aufgenommen.

"Wegen der Faschingsferien konnte Peters Klassenleiterin erst am 15. Februar erreicht werden", berichtet Graffe. Doch bei allen Gesprächen habe es keine Anzeichen für sexuellen Missbrauch gegeben.

Gesetzeslücken helfen dem Täter

Staatsanwalt Boie führte es auf Gesetzeslücken zurück, dass die Justiz keine Handhabe gegen Prinz gehabt habe, weder um ihm den Kontakt mit den Kindern unter Strafe zu verbieten, noch um ihn zu einer Fortsetzung seiner im Gefängnis fünf Jahre lang erfolgten Therapie zu zwingen. "Teilweise haben ihn die Therapeuten abgelehnt, weil sie gesehen haben, welche Dimension eine solche Therapie haben würde", sagte Boie.

Andere von insgesamt fünf Therapeuten hätten die Behandlung abgebrochen, als Prinz nicht zu Terminen erschien. Allerdings wurde Prinz für den Mord an dem elfjährigen Ministranten 1995 nur zu neun statt der Jugendhöchststrafe von zehn Jahren verurteilt.

Das Gericht hatte von einer gestörten Persönlichkeit und einer an Schwachsinn grenzenden geistigen Entwicklung gesprochen. Allerdings hielten ihn Gutachter und Gericht dennoch für voll schuldfähig, weshalb er nicht unbefristet in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen werden konnte.

Als Prinz in der Haft gestand, schon als 16-Jähriger ein anderes Kind schwer missbraucht zu haben, kam es zu einem neuen Verfahren. Doch auch hier blieb laut Staatsanwalt Boie ein neues Gutachten über beide Straftaten beim gleichen Ergebnis: Die sexuelle Störung des Angeklagten war nach Meinung der Experten nicht schwerwiegend genug, dass sie rechtlich zu einer Einweisung hätte führen können.

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