Gerichtsurteil:Infektionsherd Krankenhaus

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Nach einem Klinikaufenthalt wurde bei einer Patientin Hepatitis C diagnostiziert. Das Krankenhaus muss keine Entschädigung zahlen.

E. Müller-Jentsch

Sozusagen aus Mangel an Beweisen bleibt es einem großen städtischen Klinikum erspart, Schmerzensgeld an eine Patientin zahlen zu müssen, die sich in diesem Krankenhaus mit Hepatitis C angesteckt hat. Da die Infektionsquelle im Laufe des Verfahrens nicht identifiziert werden konnte und auch keine weiteren Fälle aufgetreten waren, sah das Landgericht MünchenI am Mittwoch kein schuldhaftes Fehlverhalten im Bereich des kommunalen Klinikums.

Hepatitis C wird bei Transfusionen, durch Injektionsnadeln oder durch Sexualkontakte übertragen. (Foto: Foto: ddp)

Eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus hat zumeist eine chronischen Erkrankung zur Folge, die im Verlauf zu schweren Leberschädigungen wie Leberzirrhose und Leberzellkrebs führen kann. Die Übertragung erfolgt über Blut, doch etwa bei einem Drittel der Erkrankungen lässt sich der Infektionsweg nicht nachvollziehen.

So war es auch bei einer Frau, die 2004 nach einer Darmspiegelung bei einem niedergelassenen Arzt stationär in das Münchner Krankenhaus eingewiesen worden war, wo ihr ein Teil des Dickdarms entfernt werden musste. Knapp einen Monat danach waren der Hausärztin dieser Patientin erhöhte Leberwerte aufgefallen. Als diese sich weiter verschlechterten, ging die Frau zur Nachuntersuchung wieder in die Stadt-Klinik, wo eine akute Hepatitis-C-Infektion diagnostiziert wurde.

Die Frau verklagte das Krankenhaus auf 50.000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz für alle künftigen Schäden: Denn die Infektion sei durch mangelnde Hygiene verursacht worden. Das Klinikum wies zunächst auf den niedergelassenen Arzt - auch bei der Koloskopie sei eine Infektion möglich gewesen.

"Die Übertragung der Infektion ist noch ein Rätsel."

Der vom Gericht bestellte Gutachter, ein Uni-Professor für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, stellte aber fest, dass die Infektionsquelle im Krankenhaus und nicht in der Darmspiegelung oder einem anderen vorhergehenden Ereignis zu suchen sei.

"Daraus folgt für die Kammer jedoch nicht, dass ein schuldhaftes Fehlverhalten vorliegt", machten die Richter nun bei der Urteilsverkündung klar. Der Sachverständige hatte dem Gericht nämlich erklärt, dass aus dem Auftreten einer Infektion im Krankenhaus noch nicht der Schluss gezogen werden könne, dass in der Einrichtung hygienische Standards verletzt werden. Hepatitis C werde etwa bei Transfusionen oder durch Injektionsnadeln übertragen, sowie durch Sexualkontakte. Eine Übertragung durch bloße gemeinsame Benutzung von sanitären Einrichtungen gelte als ausgeschlossen. "Es ist aber unklar, ob nicht weitere Übertragungswege bestehen", sagte der Professor. Denn in Studien gebe es immer wieder Fälle mit unklarer Genese. "Die Übertragung der Infektion im Einzelnen ist für die Mediziner auch heute noch ein Rätsel."

Beherrschbares Risiko?

Im Verlauf der Verhandlung hatte das städtische Klinikum versichert, dass zum fraglichen Zeitpunkt keine Angehörigen des Krankenhauspersonals, die an der Behandlung dieser Patientin beteiligt waren, eine Hepatitis-Infektion hatten. Auch die vom Landgericht eingeholte amtliche Auskunft bei der für den Infektionsschutz zuständigen Behörde verlief negativ. Für die Forderung der klagenden Patientin, sich auch die arbeitsmedizinischen Untersuchungen des Krankenhauspersonals vorlegen zu lassen, sahen die Richter jedoch keine Rechtsgrundlage: Die persönlichen Rechte der Betroffenen an ihren medizinischen Daten lasse das nicht zu.

Von der klagenden Patientin vorgelegte E-Mails anderer Fachleute konnten das Gericht nicht umstimmen. Diese Auskünfte seien wissenschaftlich nicht begründet, meinten die Richter: So stamme etwa die Auskunft des Robert-Koch-Instituts vom Pressesprecher, ohne dass erkennbar wäre, welcher Mediziner dahinter stehe; und die Auskunft der medizinischen Hochschule Hannover spreche lediglich davon, dass Infektionen mit Hepatitis C bei Einhaltung der hygienischen Standards fast immer vermeidbar seien. "Derartig allgemeine Auskünfte" reichten den Richtern aber nicht aus, um von einer Beherrschbarkeit des Risikos auszugehen oder das Gutachten in Frage zu stellen. Sie wiesen die Klage ab: "Ein schuldhaftes Fehlverhalten auf Seiten des Krankenhauspersonals ist nicht nachgewiesen" (Az.:9O13805/05).

Ob die Patientin dieses Urteil akzeptieren oder dagegen Berufung beim Oberlandesgericht München einlegen wird, ist noch offen.

© SZ vom 28.08.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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