Gerhard Polt wird 65:Meister des Wahnsinns

Lesezeit: 3 min

"I sag nix" ist einer seiner Lieblingssprüche. Bei uns sagt er aber doch was: Am Montag wird der Kabarettist, Autor und Filmemacher Gerhard Polt 65. Wir freuen uns schon jetzt darauf - und lassen ihn zu uns sprechen.

Eigentlich reicht es, wenn Gerhard Polt den Rotz hochzieht und dabei dieses tiefe, sonore Geräusch von sich gibt. Oder wenn er ein Wurstbrot isst und ein wenig mit offenem Mund kaut. Wenn er sinnfreie Laute ausstößt, wie "Nin", "Geh'", "Hä" oder "Ha". Oder wenn er lacht, verdruckst, "hihihi" oder "hähähä". Eigentlich reicht das, um zu der Schlussfolgerung zu kommen, zu der einst Loriot kam: "Polt ist ein Ereignis." Am Montag wird der am Schliersee lebende Kabarettist, Autor und Filmemacher 65 Jahre alt.

Absurditas Bavariae

Doch nicht nur mit seiner Mimik, auch mit Worten weiß Polt meisterhaft umzugehen. Die Spießbürger spießt er auf wie kaum ein anderer, seziert sie, legt ihre Doppelmoral schonungslos offen. Typisch bayerische Widersprüche löst er auf mit seiner eigenen Polt'schen Dialektik: Auf der einen Seite stehen dabei die Liberalitas Bavariae, Gemütlichkeit und Tradition, auf der anderen Seite Engstirnigkeit und Profitstreben. Hinten raus kommt am Ende eine Art Absurditas Bavariae.

Geboren wurde Polt in München, getauft wurde er evangelisch, aufgewachsen ist er im katholischen Wallfahrtsort Altötting. Für seinen Werdegang sei dies aber ohne Bedeutung gewesen, sagt er: "Als ich getauft worden bin, da war ich erst ein paar Wochen alt. Und da war mir das relativ wurscht, ob ich katholisch oder evangelisch werde." Später sei er ohnehin in den Katholizismus hineingewachsen.

Nach dem Abitur schrieb er sich an der Münchner Universität ein - für Politische Wissenschaften, Geschichte und Kunstgeschichte. 1962 ging er nach Göteborg, um dort nordische Sprachen zu studieren. Für seine weitere Entwicklung war die Zeit in Schweden sehr wichtig, wie er heute berichtet: "Göteborg hat mich angereichert. Als ich dort hingegangen bin, hab' ich ungefähr dreieinhalb Ideen gehabt. Als ich zurückgekommen bin, hab' ich dann schon 17 Ideen gehabt." Sein Kabarettdebüt war also nur noch eine Frage der Zeit.

1976 war es soweit. In München präsentierte er sein erstes Programm, die "Kleine Nachtrevue". Dann ging alles ziemlich schnell: Nach einem Engagement am Berliner Schiller Theater übernahm er 1977 mehr als 30 Sprechrollen für eine Produktion des Bayerischen Rundfunks. Ein Jahr später startete seine TV-Sketchreihe "Fast wia im richtigen Leben" im Bayerischen Fernsehen, 1980 auch in der ARD. Bereits damals an seiner Seite: die Schauspielerin Gisela Schneeberger, der Regisseur Hanns Christian Müller und die Musikgruppe Biermösl Blosn, mit denen er seitdem immer wieder zusammenarbeitete.

"Verleumderisch und bösartig"

Eines der bevorzugten Themen von Polt ist seit jeher die Politik in Bayern. "Die eignet sich immer sehr gut für das Kabarett", sagt er. "Da muss nicht einmal viel passieren. Selbst das Sommerloch eignet sich, wobei ich ja der Meinung bin, dass es hier auch ein Frühlings-, ein Herbst- und ein Winterloch gibt." Den Politikern gefiel dieser Ansatz nicht immer. Als "verleumderische und bösartige Ehrabschneidung" bezeichnete die bayerische Staatsregierung seine Glosse gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal, mit der er 1982 in Dieter Hildebrandts Sendung "Scheibenwischer" auftrat und für die er den Grimme-Preis in Silber bekam.

Fast zwei Jahrzehnte später - nach Dutzenden CD-Veröffentlichungen, Büchern, Theaterprogrammen und Filmen wie "Kehraus", "Man spricht deutsh" oder "Herr Ober!" - gab es aber auch von der bayerischen Staatsregierung höchste Anerkennung für Polt. 2001 verlieh ihm der damalige Kunstminister Hans Zehetmair (CSU) den Jean-Paul-Preis des Freistaats. Zehetmair würdigte Polt als "bedeutenden Satiriker und Menschendarsteller in der Tradition Nestroys", sein Werk verglich er mit dem Karl Valentins.

Polt scheint der Sinneswandel der Politiker eher gleichgültig zu sein: So richtig interessiere ihn die bayerische Politik eigentlich doch nicht, er habe zu dieser "sozusagen verhältnismäßig kein Verhältnis", sagt er. "Sie ist ja auch vergleichsweise marginal. Schau'n Sie, wenn Sie zum Beispiel nach Neapel fahren und dort jemanden nach der bayerischen Politik fragen, dann bekommen sie wahrscheinlich nicht einmal eine Antwort."

Wirklich wichtig seien für ihn andere Dinge: "Wenn ich morgen wieder aufwach' und g'scheit frühstücken kann, dann passt des. So ein Frühstück mit einer Semmel, dazu a wen'g einen Butter, Marmelade und einen Kaffee. Mehr will ich eigentlich gar net."

© sueddeutsche.de/ddp - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: