Gerhard Polt:Humor - das ewige Rätsel

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"D' Leut wissen, wo der Spaß aufhört, aber net, was er is", meint Gerhard Polt. Der Kabarettist spricht über Kasperl, Stoiber und das Komische als solches - beim Weißwurstessen mit SZ-Redakteur Hermann Unterstöger.

Fragt man Gerhard Polt am Telefon nach dem Wesen des Humors, sagt er "Mei" oder "Ja mei", und wenn man in den Schwingungen seiner Stimme, diesem unverwechselbaren Timbre, einigermaßen zu Hause ist, hört man unschwer heraus, was der Mann damit ausdrücken will.

So gesund will ich sein, heißt das, wie ich nicht weiß, was das Wesen des Humors ist, und ich bin einmal gespannt, wie viele von euch Presseleuten diesen Fasching von mir noch den Humor erklärt bekommen wollen, aber andererseits soll man ja nicht so sein, meine Kollegen erklären schließlich auch immer den Humor, ohne die geringste Ahnung von seinem Wesen zu haben, ja oft ohne über ihn selbst zu verfügen, also red ich halt mit dem Kerl, vielleicht kommt ja was Lustiges raus dabei. Dies die Übersetzung von "Mei"; die von "Ja mei" wäre noch ein paar Zeilen länger.

Polt sagt also "Mei", und weil er ein freundlicher Mensch ist, fügt er hinzu: "Kimmst halt, dann redn ma a weng, und wennsd magst, bring i Weißwürscht mit, aus Miesbach, und a paar Brezn bring i aa mit, und a Weißbier hol ma uns beim Wienerwald, und nacha redn ma halt, wennsd moanst."

Das ist ein Wort. Zur verabredeten Zeit hat Polt schon alles besorgt, pro Nase zwei Weißwürste und zwei zusätzliche, die aber nicht zum Verzehr vorgesehen sind, sondern folgenden unentbehrlichen Dialog hervorrufen sollen: "Magst zwoa Würscht oder drei?" - "Zwoa." - "I aa." - "Weil bei da drittn miassat i schbeim.'' - "I fei aa." In den Kühlschrank also mit den überzähligen. Polt erinnert eindringlich daran, dass ins Weißwurstwasser zwei, drei Scheiben Zitrone gehören. Ins Knödelwasser übrigens auch.

Der Preis und sein Träger

Nach den Würsten erörtert Polt den Humor, und man kann jetzt schon sagen, dass seine Rede dem Mäander gleicht, der einmal hierhin fließt und dann wieder dorthin und der unter den anderen Flüssen deswegen wahrscheinlich als vergleichsweise konfus gilt.

Schön ist er aber schon, der Mäander, und man sollte sich darum hüten, die ihm gleichende Poltsche Rede durch sogenannte zielführende Fragen zur Stringenz zu nötigen. Immerhin gibt es einen Anlass, sie ins Fließen zu bringen. Polt hat vor ein paar Tagen den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor bekommen, und nun sagt er etwas, was er schon ein paar Mal gesagt hat: "Unerbittlich suchen sich die Preise ihre Träger."

Er will das nicht als preiskritisch verstanden wissen, sondern im Sinne des von Karl Valentin formulierten Paradoxons: "Ich bin auf Sie angewiesen, aber Sie nicht auf mich - merken Sie sich das." Wie das genau auf den Preis anzuwenden ist, bleibt in jener Schwebe, die Polts eigentlicher Ort ist und auf der sich außer ihm nur wenige mit Anstand und Grazie halten, geschweige denn bewegen können.

Wenn Humor so etwas ist wie heitere Gelassenheit gegenüber den Unbilden des Lebens, dann hat ihn Polt in hohem Maße. Er bleibt bei der Unbill, den Humor beschreiben zu sollen, absolut locker, schaut zum Senfglas, als säße der Humor da drin, und versucht ihn von außen einzukreisen.

Die Ironiebegabung, doziert er drauflos, sei nicht besonders ausgeprägt. "D' Leut wissen, wo der Spaß aufhört, aber net, was er is", sagt er und vergewissert sich mit einem Seitenblick, dass wir uns einig sind: Das ist ja schon mal was. Polt ist der Ansicht, dass man, Begabung hin oder her, den Sinn fürs Komische wecken und fördern sollte, und zwar schon in der Schule.

"Warum hat das Tragische einen Stellenwert und das Komische nicht", fragt er mit anklagender Gebärde, "und warum haben die Politiker immer die vorderen Seiten, auch bei seriösen Zeitungen?" Wieder ein Seitenblick. Er könnte bedeuten: No ja, des wirst du net ändern, da hast du den Arsch z' weit untn.

Um davon abzulenken, empfiehlt es sich, Polt einen Köder hinzuwerfen. Ob er Herbert Achternbuschs sowohl in der Wurst- als auch in der Humorsphäre verankertes Theorem kenne: "Was is scho lustig? A Bratwurst is lustig!"

Nein, erwidert Polt, steigt aber sofort in die Materie ein und sagt, dass es dabei auf die Perspektive ankomme, so ähnlich wie beim Kasperl, der das Krokodil nicht sieht und sich wundert, warum die Kinder, die es sehen, vor Schreck und Gaudi quietschen. Oder, um auf dem Nahrungssektor zu bleiben, etwas Vergleichbares beim Faschingskrapfen: "Du siehgst an Unschuldigen neibeißen und woaßt, glei schiaßt da Baaz raus."

Reine Erkenntnis

Von hier aus ist es nur ein kurzer Weg zu der Frage, ob Humor einen Zwang ausübe. Man sage ja: "Ich habe lachen müssen", was schon seiner Mutter widerfahren sei, als sie vor Jahr und Tag mit zwei Freundinnen am Odeonsplatz war und Hitler reden hörte. Die drei Mädchen hätten lachen müssen, das aber nicht gedurft, was ihnen klar wurde, als ein Ordner kam und sie anfuhr: "Jetzt wenns net aufhörts, kriagts a Fotzn!"

Da seien sie dann doch lieber gegangen. Polt hängt an dieser Stelle einen Exkurs über Edmund Stoibers Redekunst an, nicht um einen unzulässigen Vergleich mit der des "Führers" anzustrengen, sondern um aus der Praxis des Kabarettisten zu beteuern, dass Stoibersche Reden in aller Regel nicht lustig seien, aber lustig geschildert werden könnten.

Einmal im Lauf des Gesprächs rückt Polt mit dieser Definition heraus: "So, wia da Alkohol a Geschmacksträger is, so is da Humor a Erkenntnisträger." Da er am Abend im Residenztheater aufzutreten hat, kommt der Geschmacksträger Alkohol nicht zu seinem Recht, und so hat denn auch der Erkenntnisträger Humor nicht den Spielraum, den er vielleicht bräuchte.

Man verabschiedet sich: "Du, da redn ma gscheida a anders Mal drüber." - "Genau, aber wieder bei Weißwürscht." - "Des sowieso." - "Servus nacha." - "Hawediehre."

© SZ vom 20.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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