Gastronomie:"Bayerischen Charme im Zaum halten"

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Die Münchner Wirte bereiten sich auf die Fußball-WM vor. Für den perfekten Umgang mit den ausländischen Gästen wollen sie ihre Bedienungen auf Freundlichkeitsseminare schicken.

Otto Fritscher

Münchens Gastwirte sollen nicht der Versuchung erliegen, während der Fußball-Weltmeisterschaft durch Preiserhöhungen einen schnellen Schnitt machen zu wollen. "Ich appelliere an all meine Kollegen, die Preise während der WM stabil zu halten", sagte Ludwig Hagn, der Präsident des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, beim Neujahrsempfang seiner Organisation. Seine Begründung für die anempfohlene Zurückhaltung: "Preiserhöhungen rechen sich nicht."

Völlig "ungrantig" sollen die Bedienungen den Gästen der WM begegnen. (Foto: Foto: ddp)

Denn zu den sechs WM-Spielen, die in München stattfinden, kämen insgesamt zirka 360000 Zuschauer. "Das ist ungefähr ein Drittel dessen, was wir an einem Oktoberfest-Samstag haben", rechnete Hagn den versammelten Gastwirten und Hoteliers vor. Im Hinterkopf hatte Hagn wohl die negative Presse, zu der Preiserhöhungen führen würden. Deshalb übernahm der Wirtepräsident beim Empfang die Rolle des Mahners, der aber erfahrungsgemäß nicht von allen gehört werden wird. Hagn: "Ein paar Ausreißer wird es immer geben."

Auch der bayerische Einzelhandel wird sich während der vier WM-Wochen bei den Preisen in Zurückhaltung üben. "Eine Welle von Preisanhebungen ist nicht zu erwarten", kündigte Günter Groß, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Einzelhandelsverbands LBE, am Rande des Empfangs an.

Wider den "Grant"

Insgesamt geht es der Gastro-Branche langsam wieder besser. "Die Umsätze steigen wieder leicht an", bilanzierte Hagn. Auch das Konjunkturprogramm mit einem Umfang von 25 Milliarden Euro sei "endlich einmal ein Schritt in die richtige Richtung". Er freue sich über die große Koalition: "Ich habe das Gefühl, dass es endlich wieder aufwärts und vorwärts geht."

Als Konjunkturbremse werde aber die Mehrwertsteuererhöhung, die Anfang 2007 von 16 auf 19 Prozent erhöht wird, wirken. "Das entzieht nicht nur unseren Gästen Kaufkraft, sie benachteiligt das Gastgewerbe weiter gegenüber der Besteuerung anderer Erzeugnisse, für die ein reduzierter Steuersatz gilt", sagte Hagn. "Warum zahle ich für Hundefutter sieben Prozent und für mein Essen im Restaurant 19 Prozent? Warum zählen selbst Pornofilme zu den steuerlich begünstigten Waren des täglichen Bedarfs, aber mein Abendessen im Lokal nicht?" Fragen, auf die Hagn "keine zufrieden stellenden Antworten" findet. Ein reduzierter Mehrwertsteuersatz würde laut einer Studie in der Gastronomie zu 70000 neuen Arbeitsplätzen in Deutschland führen.

Keine patzigen Antworten, sondern immer freundlich und adrett - so stellt sich Hagn das Auftreten der bayerischen Bedienungen in Lokalen und Biergärten während der WM vor. Ihren offenbar angeborenen bayerischen Charme - im Volksmund "Grant" genannt - sollen sie während des Fußball-Festes im Zaum halten. Damit das auch gelingt, werden im Vorfeld der WM so genannte "Freundlichkeits-Seminare" durchgeführt.

"Bayern das Land der Glückseligkeit"

"Damit wir zur WM optimal aufgestellt sind, werden wir zusätzlich noch spezielle Informationsunterlagen und branchenspezifische Schulungen anbieten", kündigte Hagn an. "Wir Wirte und Hoteliers müssen Bayern so gut wie möglich verkaufen, damit in den Monaten und Jahren nach der WM möglichst viele Touristen kommen", stellte Hagn fest.

"Bayern ist für mich ein eigener Kontinent und das Land der Glückseligkeit", sagte Hagn unter dem Beifall und dem Gelächter seiner Kollegen. Und: "Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass Ministerpräsident Edmund Stoiber Berlin Hals über Kopf verlassen hat."

© SZ vom 13. Januar 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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