Fußballkneipen:Schöner jubeln

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Seit die meisten Spiele im Pay-TV kommen, gehen viele Fans in die Fußballkneipe statt ins Stadion.

Philip Wolff

Mittwoch vor einer Woche, abends. Stefan Effenberg nimmt Anlauf - und drischt den Ball unglücklich in die Arme des spanischen Torhüters. "Neeeeeiiiin", schreien ein paar Dutzend Zuschauer im Friesen-Pub.

Sportler (Foto: N/A)

Der Wirt Klaus de-Fries schleppt das frisch gezapfte Helle heran, aber kaum ein Fan interessiert sich jetzt für ihn und sein Bier. Was auf dem 24-Zoll-Bildschirm geschieht ist - zumindest in diesen Sekunden - wesentlich spannender.

Ein paar Minuten später, als das Spiel des FC Bayern gegen Real Madrid wieder langweiliger wird, zeigt sich, dass Fußball in einer Kneipe ein gutes Geschäft sein kann: Ständig bestellt jemand, und Klaus de-Fries rennt zwischen Zapfhahn und Fans herum.

"Ich weiß nicht, wer an solchen Abenden mehr schwitzt, Ottmar Hitzfeld oder ich", sagt er später.

Mehr als 230 Gaststätten in München zeigen Sportübertragungen. Manche beschränken sich auf die Bayern-Spiele, manche auf die Auftritte des TSV 1860, und im Formula 1 (dem ehemaligen Café Extrablatt an der Leopoldstraße) läuft jede Formel-1-Übertragung.

Bier aus Gläsern

Seit viele Sportereignisse nur vom Abosender Premiere übertragen werden, entscheiden sich viele Fans wieder für das, was in den fünfziger Jahren schon einmal ganz normal war: Fußball gucken in der Kneipe.

Nik, einer der Gäste im Friesen-Pub, sagt, er sei "wegen der Geselligkeit" mit seinen Kumpels hier: "Das findest du im Stadion nicht so leicht." Außerdem gebe es dort kein Bier aus Gläsern, tröstet sich Carola Bader, eine von Niks Freundinnen.

Kneipen-Fußball hat schlicht mehr Facetten als das Sitzen-Stehen-Grölen im zugigen Stadion. Kartoffelsuppe zum Beispiel. Die blonde Gesine Dorschner lässt sich eine bringen. "Geld fürs Stadion würde ich einfach nicht mehr ausgeben, nie", sagt Gesines Nachbar Andi Hopperdietzl.

Minutenlang Begeisterung

Seit Klaus de-Fries seine Gaststätte im November 2000 eröffnet hat, zeigt er fast alle Übertragungen. "Mir ist egal, für welche Mannschaft meine Gäste schwärmen", sagt er - er toleriert Bayern-Fans, Löwen-Anhänger und Unterhachinger.

Sogar eine Nürnberg-Flagge weht manchmal in seinem Eingang. An diesem Mittwoch Abend wird der Lärm immer größer. Effenbergs Ausgleichstreffer löst minutenlange Begeisterung aus.

Und als Claudio Pizarro die Bayern in Führung schießt, wogt das Lokal, vereint im Jubel. Und Klaus de-Fries kommt strahlend hinter der Theke hervor und fragt: "Noch 'ne Runde?"

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