Demokratie in Krisenzeiten:Sitzungen müssen öffentlich bleiben

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Trotz Coronavirus müssen Lokalpolitiker öffentlich diskutieren und entscheiden. Einige Kommunen hatten geplant, das ohne Publikum zu tun. Dem stellt sich nun das Innenministerium entgegen

Auch in Zeiten des Coronavirus bleiben Sitzungen von Stadt- und Gemeinderäten öffentlich. Das ist einer Mitteilung des bayerischen Innenministeriums an die Kommunen zu entnehmen, das der SZ vorliegt. Das Ministerium stellt klar, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunen aufrecht erhalten werden muss, und zu dieser Handlungsfähigkeit gehört auch das öffentliche Diskutieren und Entscheiden über die gemeindlichen Angelegenheiten. So schreibt es die Gemeindeordnung vor. Die Empfehlung der Kommunalaufsicht des Landratsamts, in Ausnahmezeiten wie jetzt Sitzungen hinter verschlossenen Türen anzuberaumen, ist damit rechtlich nicht gedeckt.

Kleine Gemeinden wie Althegnenberg stellt die Mitteilung des Ministeriums vor Probleme. Denn ihnen fällt es schwer, einen Versammlungssaal zu bekommen, der groß genug ist, um Lokalpolitiker und Zuhörer so unterzubringen, dass die geforderten Mindestabstände zwischen den einzelnen Personen eingehalten werden können. Bürgermeister Paul Dosch (parteifrei) hat zwar einen Saal gefunden, der größer ist als der im Rathaus. Doch neben den Gemeinderäten haben dort nur drei Besucher Platz. Recht wenig, wenn man bedenkt, dass beispielsweise bei der Vorstellung von Bebauungsplänen auch Fachleute zugegen sein sollen.

Das Einhalten von Mindestabständen unter Besuchern und Lokalpolitikern ist aber auch in größeren Kommunen nicht leicht. Germerings Oberbürgermeister Andreas Haas (CSU) sagte, er denke darüber nach, die nächste Stadtratssitzung in den Orlandosaal der Stadthalle zu verlegen. In dem Saal, der etwa 1000 Besucher fasst, hätten sowohl die Stadträte als auch Besucher einer Sitzung genügend Platz, um in ausreichender Distanz zueinander das Geschehen zu verfolgen. Über einen anderen Sitzungssaal wird auch in Fürstenfeldbruck nachgedacht. Stadtrat Andreas Lohde (CSU) hat vorgeschlagen, in den Stadtsaal nach Fürstenfeld auszuweichen. Die Allinger Gemeinderäte treffen sich am Dienstag, 31. März, um 18 Uhr im Bürgerhaus, um über den Haushalt zu beraten. In Olching kommen die Mitglieder des Hauptausschusses am 31. März zusammen - wie immer um 18.30 Uhr im Rathaus. Auf der Empore ist nach den Worten von Stadtsprecherin Julia Henderichs genügend Platz für Besucher.

"Für März haben wir alle Sitzungen ausgesetzt", sagt Peter Eberlein, Geschäftsleiter der Gemeinde Maisach. Alles, wofür es einen raschen Beschluss brauche, werde von Bürgermeister Hans Seidl (CSU) "dringlich entschieden". Allerdings ist Seidl, wie allen anderen Bürgermeistern, nicht alles erlaubt. Satzungen zum Beispiel darf er weder erlassen noch verändern. Und über alles, worüber der Bürgermeister entschieden hat, muss er hinterher dem Gemeinderat berichten. Auch in Eichenau haben sich Bürgermeister, Verwaltung und Gemeinderat auf eine unbestimmte Zeit eingestellt, während der sie sich nicht so begegnen werden wie vor der Corona-Krise. Bürgermeister Peter Münster (FDP) berichtet von einer Telefonkonferenz mit den Gemeinderäten, die "erstaunlich gut funktioniert" habe. Allerdings kann er nicht abstimmen lassen, sieht er doch die Teilnehmer nicht.

Glücklicherweise, sagt Münster, gebe es derzeit keine Bausachen zu entscheiden, und grundlegende Dinge habe man aufgeschoben. Aber es sind Aufträge zu vergeben, und dafür soll es in der kommenden Woche eine Sitzung geben, an der die Mitglieder des Gemeinderates auch körperlich teilnehmen müssen. "Es muss die Beschlussfähigkeit hergestellt werden können", sagt Münster. Da Vergaben auch in normalen Zeiten in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden, soll die Sitzung nächste Woche ebenfalls ohne Zuschauer stattfinden und höchstens zehn Minuten dauern. Mit Publikum allerdings soll die Gemeinderatssitzung stattfinden, die in Maisach für April geplant ist. Geschäftsleiter Eberlein sagt, man werde die Bestuhlung anpassen und auf ausreichend Abstand achten. In Puchheim sind sämtliche Sitzungen bis Ende April abgesagt. Sollten sich die Stadträte noch treffen, dann werde dies öffentlich stattfinden, sagte Jens Tönjes, der geschäftsleitende Beamte. Die Bürger will man in diesem Fall aber ersuchen, von einem Besuch der Sitzung abzusehen.

Um möglicher Platzprobleme Herr zu werden, empfiehlt das Innenministerium den Kommunen, Ferienausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse sollten bis Ende April die nicht aufschiebbaren Beschlüsse treffen. Einem Ferienausschuss gehören nur wenige Vertreter der Fraktionen an, er ist also erheblich kleiner als ein Gemeinderat. Ferienausschüsse werden normalerweise für die Zeit der Sommerferien gebildet. Dosch zeigte sich von dem Vorschlag des Ministeriums nicht überzeugt. Einen Beschluss über den Haushalt für das laufende Jahr, wie er in Althegnenberg anstand, wollte er nicht von vier oder fünf Gemeinderäten treffen lassen, sagt er.

In der vergangenen Woche trafen sich die Althegnenberger Lokalpolitiker hinter verschlossenen Türen, um über den Etat der Gemeinde zu diskutieren. Das ist nach der Mitteilung des Innenministeriums nicht zulässig. Dosch hatte sich zuvor bei Robert Drexl von der Kommunalaufsicht im Landratsamt erkundigt. Drexl hielt den Ausschluss der Öffentlichkeit mit Verweis auf die Ausbreitung des Coronavirus für möglich. Zur Begründung zog er Artikel 52 der Gemeindeordnung heran. Dort wird das "Wohl der Allgemeinheit" als möglicher Grund für einen Ausschluss von Sitzungsbesuchern genannt. Das Innenministerium stellt aber klar, dass das nur für Sachfragen gelte, nicht aber für das Prinzip der Öffentlichkeit von Sitzungen überhaupt. Für Kommunen ist das also kein Ausweg, ebenso wenig wie eine Übertragungen per Live-Stream, wie sie die Puchheimer FDP vorgeschlagen hatte.

© SZ vom 25.03.2020 / ano, bip, ecs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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