Fruchtgummi-Kunst:Bär jeder Vernunft

Lesezeit: 3 min

Günther Siraky beklebt Tische, Stühle und Lampen mit Fruchtgummis. Auch seinen alten Mercedes hat er bearbeitet - mit 35.000 Gummibärchen.

Frederic Huwendiek

sueddeutsche.de: Herr Siraky, heute schon Gummibärchen genascht?

Günther Siraky wurde 1962 in Reutlingen geboren. Der Sozialpädagoge lebt und arbeitet in München. (Foto: Foto: privat)

Günther Siraky (lacht): Nee, hab ich nicht. Kein einziges.

sueddeutsche.de: Mögen Sie denn Gummibärchen?

Siraky: Naja, ich esse sie schon gerne. Aber nicht zuviel - und vor allem nicht, wenn ich arbeite.

sueddeutsche.de: Was uns gleich zum Thema führt: Herr Siraky, wie kommt man auf die Idee, 100 Kilo Gummibären auf einen alten Mercedes zu kleben?

Siraky: Erstmal war da die Idee, überhaupt mal Gummibärchen auf Gegenstände zu kleben. Vor drei Jahren wollte ich einem Freund ein besonderes Geschenk machen. Und da ich noch nie Kunst mit Gummibärchen gesehen habe und ich das Arbeiten mit Farben und Formen mag, hab ich einfach mal mit Fruchtgummis experimentiert. Die Reaktionen auf das Geschenk waren dann allerdings so großartig, dass ich die Idee weiter verfolgt habe.

sueddeutsche.de: Und wie war das jetzt mit dem Auto?

Siraky: Das war eine Phase von mir - die "art of gum"-Phase. Da habe ich Tische, Stühle und Lampen mit Fruchtgummi beklebt. Und irgendwann kam dann der Punkt: Mit den Fruchtgummi-Möbeln erziele ich keine große Aufmerksamkeit. So entstand die Idee mit dem alten Auto - dem bisherigen Höhepunkt meines Schaffens.

sueddeutsche.de: Ist das denn Ihr eigener Wagen?

Siraky: Klar! Ich habe mich für meinen alten Mercedes entschieden, weil er eine eher eckige Form hat - und ich ein quadratisches Gummibärchen-Muster kleben wollte. Außerdem fand ich den Gegensatz interessant: Einen Oldtimer, ein 30 Jahre alter Benz, mit so etwas schnell Vergänglichem wie Gummibären zu bekleben. Die isst man ja normalerweise in kurzer Zeit auf.

sueddeutsche.de: Und, fährt das "Bärmobil" noch?

Siraky: Ja, der Wagen ist absolut fahrtauglich. Ich habe das auf einer kurzen Strecke getestet. Weil ich den Wagen aber nicht zu lange dem Sonnenlicht aussetzen wollte, bin ich bloß um die Ecke gefahren...

sueddeutsche.de: ...sonst schmilzt Ihnen Ihr mühsam aufgeklebter Belag davon...

Siraky: Genau. Obwohl der Wagen durchaus einige Zeit in der Sonne stehen darf. Außerdem soll das Auto ja irgendwann in der Öffentlichkeit ausgestellt werden. Wenn bis dahin das Design unter Staub und Dreck gelitten hat, dürfte das schwierig werden.

sueddeutsche.de: Wie bekommen Sie den Gummi-Benz von A nach B?

Siraky: Ich hab das Auto in Reutlingen in einer Garage von Freunden gestaltet und musste ihn dann ins zwölf Kilometer entfernte Tübingen bringen - auf einem Anhänger. Auf der Fahrt ist die Plane aufgeplatzt, man hat also was vom Auto sehen können. Das war in der Nähe von einem Einkaufszentrum.

Deshalb hat sich innerhalb kürzester Zeit eine Menschentraube um den Wagen gebildet. Das Auto sah in der Sonne aus wie ein funkelnder Edelstein.

sueddeutsche.de: Reagieren die Menschen immer so?

Gummibärchen im Mohn: Das beklebte Auto in freier Natur. (Foto: Foto: Günther Siraky)

Siraky: Ja, die Reaktion ist meistens ungläubiges Staunen. Auf den ersten Blick und aus der Entfernung sieht das bei dem Auto aus wie eine komische Lackierung und nicht wie Gummibärchen-Belag. Wenn die Leute dann aber näher kommen, können Sie es gar nicht glauben.

Als ich noch am Bekleben war, ist einmal eine ältere Dame vorbeigekommen. Sie fragte mich ganz schüchtern, was ich denn da machen würde. Sie hatte mich jeden Tag beim Bekleben gesehen und sich nie getraut, mich zu fragen. Ich habe sie dann zu dem Wagen geführt, und als sie die Gummibären sah, war sie völlig perplex. Das Design erinnerte sie an ihre selbst gestrickten Decken.

sueddeutsche.de: Wie läuft das Aufkleben technisch ab?

Siraky: Was ich genau verwende, möchte ich hier nicht verraten - Entschuldigung, Betriebsgeheimnis! Was ich aber sagen kann: Normalerweise klebe ich erstmal eine weiße Spezialfolie über die Objekte, weil dann die Bären eine größere Leuchtkraft entfalten. Das Auto zum Beispiel ist eigentlich dunkelblau. Später beklebe ich die Folie dann mit den Fruchtgummis.

Und danach kommt ziemlich viel Lack auf die Gegenstände. Ich habe da lange rumexperimentiert, wie die kräftigen Farben der Gummibärchen am längsten erhalten bleiben. Es gibt bisher leider nur einen begrenzten UV-Schutz. Nach ein paar Jahren verliert das Fruchtgummi schon ein wenig an Leuchtkraft.

sueddeutsche.de: Mit all dem Lack sollte man also wohl besser nicht vom Auto naschen...

Siraky: Oh nein, besser nicht. Ich muss auch immer den Kindern deutlich sagen, dass sie - falls am Anfang noch der eine oder andere Bär von den Kunstobjekten herunterpurzelt - ja nichts davon essen sollen.

sueddeutsche.de: Und wie ist das Sitzgefühl auf ihren Fruchtgummi-Stühlen?

Siraky: Nicht schlecht! Die Bärchen sind nach ein paar Wochen richtig hart. Nur wenn die Sonne lange darauf scheint, werden Sie weicher. Aber festkleben tun sie überhaupt nicht und das Sitzgefühl ist etwas Besonderes.

sueddeutsche.de: Klingt aber nicht gerade bequem...

Siraky: Ohne Frage, ein Plüschsessel ist weicher. Dafür aber nicht so bunt und einzigartig.

sueddeutsche.de: Verraten Sie uns Ihren Traum: Was würden Sie noch gerne mit Gummibären bekleben - das Brandenburger Tor etwa?

Siraky: Ich habe einen Traum in dieser Kategorie. Jetzt ist es aber noch nicht an der Zeit über meine Vision zu sprechen ...

sueddeutsche.de: Günther Siraky als 'Fruchtgummi-Christo'?

Siraky: Nett formuliert, aber solche Schuhe würden mir wohl doch nicht passen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: