Freiwild in München:Punk und Pegida

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"Aber wenn man das sagt, wird gleich die Nazikeule rausgeholt!" Leadsänger Philipp Burger spielt bei seinen Auftritten mit dem Image der Band. (Foto: Robert Haas)
  • Das Konzert der Band Freiwild in der Münchner Olympiahalle hat für Diskussionen gesorgt.
  • Für viele in Politik und Musikszene hat die Rock-Punk-Band eine eher rechte Gesinnung und eine gefährliche Nähe zum Nazi-Jargon.
  • Eine Jugendkultur-Studie zeigt, dass die Einstellungen der Fans denen von Pegida ähneln.

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Philipp Burger steht auf der Bühne der Olympiahalle, vor ihm Tausende Fans. "Heimatliebe!" ruft er ins Mikro. Das Publikum grölt, klatscht, johlt. Burger nickt den Fans zu. "Aber wenn man das sagt, wird gleich die Nazikeule rausgeholt! Damit haben wir nichts am Hut!" Jubel.

Die Olympiahalle ist am Donnerstagabend voll. Es gastiert Freiwild, für viele in Politik und Musikszene eine Rock-Punk-Band mit rechter Gesinnung und gefährlicher Nähe zum Nazi-Jargon. So kritisierten auch Münchens Grüne und SPD, dass die Olympiapark GmbH der "nationalistischen Band" eine "Plattform für völkisches Gedankengut" biete. Ganz glücklich ist man beim Olympiapark auch nicht mit dem Auftritt. Allerdings sei Freiwild eine Grauzonen-Band. Rechtliche Mittel, ihr einen Auftritt zu verwehren, gebe es nicht, heißt es dort.

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Und schließlich ist das Konzert auch ein gutes Geschäft. Aber mit wem? Tausenden jungen Rechtsextremen und Neonazis? In der Olympiahalle stehen Teenies in weißen Tank-Tops, Skinny-Jeans und Chucks neben Punks mit Irokesen-Frisur und zerfetztem Muscle-Shirt. In den pinken Haaren einer Gruft-Dame stecken Spangen in Knochenform, auf ihrem T-Shirt steht: "Fuck Pop". Einer hat sich einen Palästinenserschal um den Hals gewickelt. Zwei Mädels in engen, schwarzen Leggings stöckeln in hohen Pumps an einem alten Rocker in Motorradkluft mit Glatze und langem Ziegenbart vorbei. Ein Vater trägt seinen Sohn auf den Schultern. Seine Frau sieht mit ihrer blonden Dauerwelle und der schwarzen Kastenbrille ein wenig aus wie eine Grundschullehrerin. Auf den T-Shirts das Logo der B öhse Onkelz, aber auch von Rolling Stones oder Johnny Cash. Keine Hakenkreuze, keine Neonazi-Klamotten.

"Hier gibt es keine Nazis"

Security-Mann Thomas Röhling hat die Hände in die Hüften gestemmt und mustert die Fans. Er und seine Kollegen haben an diesem Abend Listen von Symbolen von rechten Gruppen ausgeteilt bekommen, auf die sie achten sollten. Sie finden zwei Jacken mit Skinhead-Aufnähern. Zwei Fans von Tausenden. "Hier gibt es keine Nazis", sagt ein Junge in Jeans und Chucks. Mehr will er nicht sagen. "Sonst wird einem wieder das Wort im Mund verdreht", sagen zwei bullige Männer mit Onkelz-T-Shirts und heben abwehrend die Hand. Die Fans haben es offenbar satt, in die rechte Ecke gestellt zu werden. "Es nervt", sagt ein Mädel mit Nietenhalsband. "Ich liebe mein Land. Was ist falsch daran?", fragt ein anderer. "Die Nazi-Zeit war schlimm und man darf sie nicht vergessen, aber wir können da nichts dafür", heißt es. Wenn die Kastelruther Spatzen die Berge besingen, sage ja auch niemand was.

Die Freiwild-Fans - sie sind inzwischen auch schon Studienobjekt. Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen hat mehr als 3000 Fans befragt. Über 400 von ihnen äußerten sich zu ihren politischen Einstellungen, es gibt auch Linke unter ihnen, die den Kapitalismus kritisch sehen. Dominant seien allerdings patriotische und antipolitische Einstellungen, heißt es in der Studie. Es erinnert an Pegida: Politiker werden als verlogen und bestechlich abgestempelt. Manche fürchten die Einführung von muslimischen Feiertagen und hetzen gegen einen angeblichen "Multi-Kulti-Wahn". "Es gibt rassistisch denkende Fans bei Freiwild", sagt Klaus Farin der Süddeutschen Zeitung. Als Einstiegshelfer in die Szene tauge die Band aber immer weniger, da Neonazis auf Konzerten von Band und Fans beschimpft würden.

"Freiwild ist nicht rechts und nicht links"

"Nazis werden sofort rausgeschmissen", sagt auch Simon Bölling am Donnerstag in der Olympiahalle. Der 35-Jährige mit den blonden Haarstoppeln kennt die Band seit Jahren persönlich. Front-Mann Philipp Burger sei als Jugendlicher von Italienern verprügelt worden, weil er für ein unabhängiges Südtirol ist. Das habe ihn in die Skinhead-Szene getrieben. Eine Jugendsünde, die man ihm jetzt mal verzeihen solle. "Freiwild ist nicht rechts und nicht links", sagt Bölling, "sondern einfach authentisch." "Egal, welche Scheiße man im Leben schon erlebt hat, Freiwild hat ein Lied dazu." Burger selbst betreibt Imagepolitur von der Bühne herab, nicht nur bei seinem Auftritt an diesem Abend in der Olympiahalle. Fast immer distanziert er sich auf der Bühne von rechten Parolen. Seine Songs handeln von Heimat, Volk und Tradition, und es kann schon mal vorkommen, dass Burger beim Texten ein Zitat von Joseph Goebbels unterkommt. Ganz aus Versehen, heißt es dann. "Sturm brich los" sei ja ein "allgegenwärtiger Slogan".

Bei der harten Punk-Nummer "Arschtritt" tanzen die Fans Pogo, schubsen sich hin und her, rammen sich an der Schulter. Zu dem Liebeslied "Wie ein schützender Engel" hat sich Burger auf einen Barhocker gesetzt und die Augen geschlossen. Vor ihm ein Lichtermeer von Feuerzeugen, die die Fans über ihren Köpfen wiegen. Auf den zwei Leinwänden neben der Bühne schmachtende Teenie-Augen und riesige Engelsflügel, die sich in Sternenstaub auflösen.

Dann wird es doch noch kurz politisch. Ein bisschen was für die linken Punks: "Es gibt so viele Leute, die euch die Kohle aus der Tasche ziehen wollen", sagt Burger. Und ein bisschen was für die Volksseele: "Wir lieben Südtirol!", schreit er und haut in seine Gitarre. Bei keinem Lied klatschen und jubeln seine Fans so sehr wie bei diesem. Fahnen von Südtirol werden durch die Luft geschwenkt. Beim Bier nach dem Konzert wird mancher Fan gesprächiger. "Natürlich spielt Freiwild mit dem rechten Klischee", sagt einer. Das vermarkte sich eben besser. "Nur zugeben tut es eben keiner".

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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