Freistaat kündigt Pachtvertrag für Erholungspark:Behinderte Kinder müssen draußen bleiben

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Sämtliche Versuche, die Diskriminierung zu beenden, sind gescheitert: Minderjährige dürfen nicht auf das Vereinsgelände der Kriegs- und Körperbeschädigten, weil die Mitglieder "ungestört" bleiben möchten.

Claudia Schuh

Der Freistaat Bayern hat den Pachtvertrag mit dem Verein Erholungspark für Kriegs- und Körperbeschädigte zum 30. November 2007 gekündigt. "Wir haben uns mit allen Mitteln bemüht, den Streit gütlich beizulegen - sowohl der Freistaat Bayern als auch die Stadt München", sagt Judith Steiner, Sprecherin des Bayerischen Finanzministeriums. Seit 1951 hat der Behindertenverein in Gern ein 20000 Quadratmeter großes Erholungsareal gemietet.

Im Clinch liegt der Verein mit dem Freistaat, der Stadt München und der Behindertenbeauftragten der Staatsregierung bereits seit 1996. Der Grund: Die Mitglieder lassen Minderjährige nicht auf das riesige Gelände. Beim Baden, In- der-Sonne-Liegen und Spazieren wollen sie ungestört bleiben. Unter 18-Jährige müssen draußen bleiben, steht auf dem Schild am Eingangsgitter.

Im Kündigungsschreiben begründet die bayerische Schlösserverwaltung ihr Vorhaben damit, dass der Verein laut Sozialreferat auch jungen Behinderten die Möglichkeit geben sollte, sich wie Gesunde unbeschwert an der frischen Luft zu bewegen, ohne neugierigen Blicken ausgesetzt zu sein. Gerade für junge Behinderte gebe es eine große Hemmschwelle, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Sämtliche Versuche, die Diskriminierung zu beenden, seien gescheitert. Der Vorstand war gestern weder privat noch im Vereinshaus telefonisch zu erreichen.

"Wirklich wütend"

Die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung, Anita Knochner, ist über den Vorfall "ziemlich verärgert". "Ich hätte auf jeden Fall darauf bestanden, den Vertrag zu kündigen." Wiederholt habe sie das Gespräch mit dem Vereinsvorsitzenden Ludwig Karl gesucht und ihn eindringlich gebeten, unter 18-Jährige aufzunehmen. Ihren Vorschlag, bei der Mitgliederversammlung dafür zu werben, habe Vereinschef Karl abgelehnt und versichert, ihr Vorhaben zu unterstützen.

Bei der Abstimmung im April stieß die Öffnung bei den Mitgliedern mit 145 zu vier Stimmen entschieden auf Ablehnung. "Ich vermute, man wollte mich nicht auf der Versammlung haben." Was die Behindertenbeauftragte "wirklich wütend macht", ist, dass der Verband behinderter Menschen von sich aus wiederum Behinderte ausgrenzt. "Das ist eine unglaubliche Geschichte."

Knochner hatte in einem Schreiben an den Verein klar signalisiert, dass der Freistaat als Verpächter des Areals rechtliche und vertragliche Mittel einsetzen werde, die Mitnutzung der Grünanlage für behinderte Kinder und Jugendliche zu erzwingen. Der Verein verstoße ganz klar gegen den in der Bayerischen Verfassung verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Behinderter.

Die Gründe für das Verhalten des Vereins sind nicht nachvollziehbar. Knochner vermutet eine kinderfeindliche Einstellung. Mitglieder haben geäußert, "dass es dann mit der Ruhe vorbei sei". Völlig absurde Bedenken, findet die Behindertenbeauftragte: "Körperbehinderte Kinder toben nicht wild im Wasser."

Das Ministerium schlägt weiterhin eine Brücke: Bei einer Einigung stehe einer erneuten Verpachtung nichts im Wege. Ansonsten bietet Bayern das Gelände anderen Trägern der Behindertenvorsorge an. Knochner: "Selbst wenn der Verein seine Satzung ändert, was ich mir nicht vorstellen kann, ändert sich nichts daran, dass Kinder nicht erwünscht sind."

© SZ vom 30.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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