Wolfgang Ambros in Freising:"Es is überhaupt no nix verlor'n"

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Schmäh hat er noch, die Stimme geht langsam verloren: Wolfgang Ambros begeistert trotz Dauerregens in Freising seine Fans.

Sabina Dannoura

"I vasuachs", sagt Wolfgang Ambros und verzieht keine Miene. Dass er dem Publikum gleich einheizen will, das im Dauerregen am Festival-Platz des Vöttinger Weihers ausharrt, ist in diesem Moment schwer vorstellbar. Im Zelt des Freisinger Kulturvereins "Prima leben und Stereo "(PLUS), der zusammen mit dem städtischen Kulturamt das Konzert veranstaltet, sitzt der österreichische Liedermacher abgeschottet in dem für Musiker ausgewiesenen Bereich.

Mit Schmäh und Reisbeisen-Stimme: Wolfgang Ambros bei seinem Konzert am Vöttinger Weiher. (Foto: Marco Einfeldt)

Er wirkt von der Aussicht, den trockenen Platz gleich gegen die Bühne tauschen zu müssen, nicht unbedingt angetan. Da fällt sein Blick auf zwei Tüten, in denen sich Geschenke befinden. "Ich kriege noch immer welche für die Zwillinge", sagt Ambros, der Vater, und neigt seinen Kopf nachdenklich zur Seite. Im Mai sind Tochter und Sohn zur Welt gekommen, doch die Glückwünsche reißen nicht ab.

Zehn Minuten später steht er, in beiger Hose und beigem Caro-Hemd, auf der Bühne, die Gitarre umgeschnallt und knarzt ins Mikrofon "Steh grod und schau nach vorn". Ein Lied seiner neuen CD, die Momenten im Leben gewidmet ist, in denen es nicht so gut läuft. Der Refrain endet mit der Zeile "es is überhaupt no nix verlor'n". Ein passendes Motto für diesen Abend.

Mittlerweile regnet es noch heftiger als zu Beginn des Konzerts, das Schandmaul-Geigerin Anna Katharina bestritten hat. Meisterhaft versteht sie es, klassische Musik mit Stilelementen aus Jazz, Rock oder Zigeunermusik zu etwas Neuem zu formen. Richtig gefreut hat sich die Ausnahme-Geigerin, dass sie für das Vorprogramm engagiert wurde: "Das ist eine Ehre", sagt die Violinistin, die auch an der Drehleier eine Kostprobe ihrer Fertigkeit gibt.

An einem anderen, zumindest trockenen Ort, hätte Anna Katharina mit ihrem feurigen Spiel, unterlegt von E-Bass und Schlagzeug, sicherlich die verdiente Aufmerksamkeit erfahren. In der feucht-kalten Atmosphäre vertreiben sich viele Zuhörer jedoch lieber die Zeit damit, den Regenumhang auszupacken, sich mit Pizza oder heißer Bratwurst aufzuwärmen oder Freunde zu begrüßen.

Endlich, um 20.50 Uhr, legt Ambros mit seiner Band "Die No.1 vom Wienerwald" los. Das zweite Stück "Da Hofa" hat ihm 1971 zum Durchbruch verholfen. Fast 40 Jahre Bühnenleben hat die Austropop-Legende auf dem Buckel. Er hat Erfahrung darin, wie man 1500 Fans, überwiegend angegraut, glücklich machen kann, trotz widrigster Bedingungen.

Ironisch begrüßt er sie an diesem "wunderschönen Sommerabend", verspricht ein Programm "nur aus alten Liedern" - und greift wieder zur Gitarre. "Also schau ma, dass wir's hinter uns bringen", ruft Ambros in seinem ganz eigenen Schmäh in die Menge.

Und er hält sein Versprechen, packt das bekannte Repertoire aus: Vom ersten Album folgt "Du bist wie de Wintersun", eine Ballade, die das Herz allerdings nicht wirklich erwärmt, wenn man auf der falschen Seite in die Mundharmonika bläst. Auch stimmlich ist Ambros nicht mehr ganz auf der Höhe. Klar, sein typisches Reibeisen-Organ ist nicht verloren gegangen, doch höhere Tonlagen kriegt er nicht mehr gut hin.

Ihn selbst scheint das wenig zu stören, echte Wolferl-Anhänger schauen sowieso darüber hinweg - und die kritische Minderheit wird versöhnt durch eine fulminante Band und knackige Arrangements. So kommt der Uralt-Schinken "Es lebe der Zentralfriedhof" in neuem Gewand mit Hardrock-Elementen daher und lässt die ersten Zuhörer grooven.

Trotz Protests des Publikums gibt er einen Witz zum Besten, einen sauguten übrigens, und heizt zunehmend die Stimmung an. Ausgelassen wird der umstrittene Jesus-Song angestimmt ("Das Leben ist ein Heidenspaß, für Christen ist es nichts") und danach gleich das Trinklied "Wem heit ned schlecht ist".

Auch Wiener Schmäh hat Ambros parat, mit einer seiner Background-Sängerinnen gibt er den Evergreen von der "Reblaus", eine Hommage an den unvergesslichen Schauspieler Hans Moser. Und sogar zum Schunkeln animiert Ambros die durchnässten Massen, als er aus seinem "Watzmann"-Rustical "Aber mei Bua, der fallt, der fallt" anstimmt - und für zwei weitere Stücke aus dem Musical Anna Katharina auf die Bühne holt, jetzt von 1300 Menschen für ihr dramatisches Geigenspiel beachtet und bejubelt.

Trotz einiger Schwächen: Das Publikum ist von dem Auftritt begeistert genug, um bei strömendem Regen bis nach 22.30 Uhr auszuhalten und den Vollblut-Musiker zu feiern. Ambros dankt es mit einer Fülle von Zugaben.

© SZ vom 07.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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