Verschollen im Krieg:Ende der Ungewissheit

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Nachforschungen von Hobbyhistorikern im Wald bei Fürholzen kommen einem Kriegsschicksal auf die Spur: Flugzeugteile verraten, dass dort bei einem Luftkampf im April 1944 Kurt Schmidt aus Gera ums Leben kam.

Von Birgit Grundner

Im Wald bei Fürholzen piept es: Wenn Marco Grätz seine staubsaugergroße Metallsonde über dem Boden hin und her bewegt, gibt das Gerät immer wieder Geräusche von sich. "Hier zum Beispiel dürfte Buntmetall sein", erklärt Grätz und deutet auf eine moosige Stelle: "Da wird wohl ein Blech- oder Alufetzen drin sein." Wenn er Glück hat, ist es ein weiteres Stück des Flugzeugs, das dort vor fast 70 Jahren nach einem Luftkampf abgestürzt ist. Die Überreste hat der Oberschleißheimer Verein "Bayerische Flugzeug Historiker" jetzt mit Hilfe von Heimatforscher Ernst Keller entdeckt, und mit den Fundstücken ist es sogar gelungen, ein Soldatenschicksal aufzuklären.

Rückblick: 24. April 1944. "Gestern rollten 14 feindliche Bomber von Hetzenhausen her an", notiert Pfarrer Georg Kolb in seinem Kriegstagebuch. Und weiter: "Ein deutsches Flugzeug geht (. . .) nieder. Pilot tot." Auch Korbinian Bachmeier hat den Absturz beobachtet. Er war damals neun Jahre alt und spielte gerade mit Freunden im Schulgarten, als er "einen Flieger" kommen sah, der wenig später die Kanzel verlor. Die Maschine flog über den Wald "und dann ist Rauch aufgegangen". Die Kinder waren als Erste bei der Absturzstelle "Überall waren Flugzeugteile und Kleidung verstreut und es hat gestunken", erinnert sich Bachmeier. Zahlreiche Baumwipfel seien abgebrochen, im Boden klaffte ein Loch. Wenig später wurde der Ort abgesperrt.

Bis heute befindet sich dort ein kleiner Krater, der aber längst zugewachsen ist. Auch Spaziergänger haben der Bodenvertiefung wohl keine besondere Bedeutung beigemessen. Die ganze Geschichte war in Vergessenheit geraten - bis jetzt die "Bayerischen Flugzeug Historiker" nachgeforscht und in Fürholzen nachgefragt haben. Zuerst hatten sie nur einen vagen Hinweis, dass "nahe Massenhausen" ein Flugzeug abgeschossen worden war, erzählt Marco Grätz aus Allershausen. Die weiteren Recherchen brachten ihn schließlich zu Ernst Keller, der wiederum von Korbinian Bachmeiers Augenzeugenbericht wusste. Inzwischen hat Grätz schon über 100 Teile gefunden. Seine Frau hat sie vorsichtig sauber gemacht, "mit einem Zahnbürstchen" und mit Wasser, wie sie erzählt. Was dann sichtbar wurde, kam einer kleinen Sensation gleich: Auf einem Teil waren die ersten Buchstaben des Wortes "Sauerstoffflasche" zu erkennen - damit war klar, dass es sich tatsächlich um ein deutsches Flugzeug gehandelt haben muss. Den Durchbruch brachte ein kleines Typenschild, mit dem das Flugzeug dann tatsächlich zugeordnet werden konnte: Es handelt sich zweifelsfrei um die Maschine von Kurt Schmidt, der beim Absturz noch keine 20 Jahre alt war und aus Gera stammte.

Dort suchte Ernst Keller per Zeitungsaufruf nach Angehörigen, wenig später meldete sich Schmidts Schwester Helene bei ihm. Inzwischen hat sie ihm auch das letzte Foto ihres Bruders geschickt. Die Mutter hatte es an Weihnachten 1943 machen lassen. "Sie hatte offenbar eine Vorahnung", erzählt Keller. Anfangs galt Kurt Schmidt als vermisst. Als der Vater später die Todesnachricht bekam, kurz nachdem auch noch ein anderer Sohn gefallen war, erzählte er das seiner Frau nicht. Ihre Mutter habe immer "den Gedanken gehabt, dass der Junge wiederkommt - bis zu ihrem Tod", berichtet Helene Dünger am Telefon. Nach fast 70 Jahren weiß sie jetzt, wo und wie ihr Bruder gestorben ist, und schon bald will sie selbst nach Fürholzen kommen. Im Wald soll künftig eine Tafel an den Absturz erinnern, "und das möchte ich schon sehen".

© SZ vom 07.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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