Isarauen an der Mittleren Isar:Auch im Naturwald wird gejagt

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300 bis 350 Hirsche, Hirschkühe und -kälber leben an der Mittleres Isar im Landkreis Freising. Sie fressen viermal so wie wie Rehe. (Foto: Johannes Simon)

In den Isarauen zwischen München und Moosburg leben unter anderem zahlreiche Hirschrudel, deren Population die Jäger regulieren sollen. Naturschützer würden den Wald lieber vollständig sich selbst überlassen.

Gudrun Regelein, Freising

"Wald vor Wild - oder Wild vor Wald?": Das ist eine heiß diskutierte Frage. Um das Thema Jagd und Rotwildmanagement ging es auch in der jüngsten Sendung von "Unkraut", dem Umweltmagazin des Bayerischen Rundfunks. In ganz Bayern gibt es nur zehn Gebiete, in denen Rotwild zugelassen ist - außerhalb von diesen gilt das Abschussgebot. Die Auwälder zwischen München und Moosburg gehören dazu: Hier leben etwa 300 bis 350 Hirsche, Hirschkühe und Kälber.

Sie leben im Rudel und fressen nicht nur vier- bis fünfmal so viel wie Rehe, sie schälen zudem die Bäume - ein Ärgernis für die Waldbesitzer. Regelmäßige Schälschäden durch Rotwild im Auwald gebe es zwar, sagt Freisings Forstbetriebsleiter Alfred Fuchs. Auf die ganze Staatswaldfläche bezogen handele es sich aber um ein insgesamt "geringes Schadensausmaß". Auch der Verbiss sei tragbar. Vor etwa einem Jahr wurden die Isarauen zwischen München und Landshut zwar zu großen Teilen zum Naturwald deklariert, auch das Rotwildgebiet gehört dazu - aber gejagt wird dort noch immer.

Der Naturschutz würde Jäger gerne aus dem Naturwald verbannen

Das sieht Manfred Drobny, Freisinger Grünen-Stadtrat und Geschäftsführer des örtlichen Bund Naturschutzes, nicht gerne. Er würde die Jagd am liebsten ganz aus dem Naturwald verbannen, diese solle es dort nicht geben. "Naturwald bedeutet nur, dass die forstliche Nutzung eingestellt wird." Eigentlich aber sollte in einem Naturwald die biologische Vielfalt gefördert werden, meint Drobny. Dazu gehöre der natürliche Tierbestand - und natürlich auch das Rotwild, ein klassischer Bestandteil der Isarauen. "Die Jagd müsste man dort einstellen - auch wenn das nicht so ganz einfach ist, das ist uns schon bewusst." Verbisse und Schälungen seien eben ein "natürlicher Vorgang", sagt Drobny. Im Idealfall würde man den Wald sich selbst überlassen, um zu schauen, was dann passiert.

Aus Sicht des Forstbetriebs dagegen hat sich die Abschusshöhe, und damit auch die Art zu jagen, bewährt: "Das sind auch die Signale, die uns die örtliche Jägerschaft seit Jahren sendet", sagt Alfred Fuchs. Alle Aspekte, die seit Jahren in die Jagdstrategie integriert würden - wie die Bedürfnisse des Auwalds, des Naturschutzes, Überlegungen zur Seuchenprävention oder der Schutz angrenzender landwirtschaftlicher Fluren vor Wildschäden und die Naherholung -, gelten grundsätzlich weiterhin. In den bayerischen Naturwäldern solle die Entwicklung und Verjüngung naturnaher Wälder durch ein geeignetes Jagdmanagement forciert werden.

Selbst wenn im Naturwald der Wald ungestört wachsen könne, gebe es noch andere Aufgaben. Beispielsweise die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest zu verringern oder arge Wildschäden in der benachbarten Feldflur zu vermindern, sagt Fuchs. Allein aus diesen Gründen müsse im Auwald auch künftig gejagt werden.

Die Jäger befürchten ohne Jagd Schäden auf den Feldern

Auch Walter Bott,Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägervereins Freising Stadt und Land, sieht die Notwendigkeit einer Jagd im Naturwald. Gibt es diese nämlich nicht, wüchse die Population, wie er erklärt. Hirsche würden in Rudeln leben, "irgendwann drücken die aus den Wäldern raus und schauen, wo sie etwas zu fressen finden". Das seien in der Vegetationsperiode dann auch die Felder der Landwirte. "Das muss man vernünftig regeln", sagt Bott. Sogar im Berchtesgadener Nationalpark gebe es noch eine Jagd. "Ganz ohne geht es eben dann doch nicht." Die Verbiss- und Schälschäden aber sieht er nicht dramatisch. "In einem Naturwald schon gleich zweimal nicht." Dort müsse kein Gewinn erzielt werden, also gebe es keinen wirtschaftlichen Schaden.

In Bayern gibt es forstliche Gutachten zur Waldverjüngung, die alle drei Jahre erstellt werden. Für die Landkreise Freising und Erding ist das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Erding dafür zuständig. In diesem Frühjahr folgt ein aktuelles Gutachten. Für jede Hegegemeinschaft wird ein Bild der Vegetation erstellt. So wird auch geschaut, ob der Verbiss günstig, tragbar, zu hoch oder deutlich zu hoch ist. Zusätzlich gibt es seit 2012 noch die sogenannte Revierweise Aussage, bei der sich staatliche Forstbeamte einen Eindruck machen.

Nach dem Verbissgutachten werden die Abschüsse festgelegt

Diese beiden Säulen bilden die Grundlage für das Gutachten. Danach werden dann die Abschusszahlen festgelegt. Den Abschussplan erstellt die Untere Jagdbehörde im Landratsamt. Streckenlisten zeigen, ob die Vorgaben erreicht wurden. Das Soll für den bestehenden Abschussplan Rotwild beträgt für das gesamte Rotwildgebiet 177 Tiere, heißt es aus dem Landratsamt. "Da das Jagdjahr bis Ende März geht, kann man über die Ist-Zahlen noch nichts verbindliches sagen", berichtet Pressesprecherin Eva Zimmerhof. Im Jagdjahr 2018/2019 wurde der Abschussplan für Rotwild im Kreis Freising zu knapp 100 Prozent und für 2019/2020 zu fast 90 Prozent erfüllt. In den drei Staatsjagdrevieren im Rotwildgebiet Isarauen wurden in der laufenden Jagdsaison 26 Stück Rotwild erlegt, also exakt 10o Prozent der festgelegten Abschusshöhe, berichtet Alfred Fuchs.

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