Maikundgebung in Freising:Verdi-Vertreterin attackiert den Flughafen

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Die Wirtschaft? In Partylaune! Und die Normalbürger? Die dürfen nicht mitfeiern: Das ist das Credo der DGB-Maikundgebung in Freising. Auch der Münchner Flughafen wird kritisiert.

Tobias Schulze

Mindestlohn, Altersarmut, Leiharbeit: Mit welchen Themen sich die Gewerkschaften derzeit herumschlagen, war zum 1. Mai schon auf dem Weg zum Lindenkeller auf Transparenten zu lesen. Dort fand die Maikundgebung des DGB Freising statt - in diesem Jahr unter dem Motto "Gerecht geht anders".

Die katholische Betriebsseelsorgerin und Verdi-Vertreterin Irmgard Fischer wetterte im Lindenkeller gegen die Niedriglöhne am Flughafen. (Foto: Marco Einfeldt)

Wofür man solch eine Veranstaltung im Jahr 2011 überhaupt noch brauche, fragte Freisings DGB-Vorsitzender Guido Hoyer die knapp 50 Zuhörer zur Begrüßung. Experten zufolge sei die deutsche Wirtschaft nach Ende der Finanzkrise schließlich schon wieder in Partylaune. Die Antwort schob Hoyer gleich selbst nach: "Zu der Party ist leider nicht jeder geladen - da liegt das Problem."

Was das konkret bedeutet, führte als Hauptrednerin die katholische Betriebsseelsorgerin Irmgard Fischer aus. Zum Monatsende hin habe sie häufig Menschen vor der Türe stehen sehen, die um Geld bitten. "Die brauchen zehn Euro, damit sie sich auch in der letzten Woche des Monats etwas zu Essen kaufen können."

Verantwortlich für solche Verhältnisse sei in erster Linie die Politik. In den letzten zehn Jahren habe sie Sozialsysteme und Arbeitnehmerrechte immer weiter beschnitten. So sei es für Betriebe mittlerweile einfach, durch Tochtergesellschaften und Subunternehmen die geltenden Tarifverträge zu umgehen. Der Flughafen habe zum Beispiel elf Tochterunternehmen. Ein Subunternehmer zahle den Angestellten dort Stundenlöhne unter fünf Euro.

Aber auch den DGB nahm Fischer in ihrer Kritik nicht aus. Für den Sektor Leiharbeit hätten die Gewerkschaften einem Tarifvertrag mit Niedriglöhnen zugestimmt. "Mir fällt kein guter Grund ein, warum jemand für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen sollte als ein anderer", so Fischer.

Claudia Egger von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hatte die Zuhörer zuvor auf Missstände im Bildungssektor hingewiesen. So müssten sich Kinderpflegerinnen, nach drei Jahren Ausbildung an einer kostenpflichtigen Schule, im Arbeitsleben mit einem Nettoverdienst von lediglich 1000 Euro zufrieden geben. "Ohne Nebenjob ist da eine selbständige Existenz nicht möglich", so Egger. Die Folge: Anstatt sich von der Arbeit erholen zu können, müssten Kinderpflegerinnen am Wochenende häufig ihr Gehalt aufbessern. Attraktiv sei der Beruf also nicht, bundesweit seien deshalb auch 17000 Stellen nicht besetzt. Eggers Appell: "Jeden, der Kinder hat, geht dieses Problem etwas an."

Für die Freisinger DGB-Jugend sprach auf der Maikundgebung Daniel Wilke. Bildung war auch bei ihm Thema - wenngleich aus anderer Perspektive. Dass es Jugendliche ohne akademischen Hintergrund schwer haben, den Sprung auf die Universitäten zu schaffen, sei bundesweit ein Problem. In München und Freising sei das jedoch besonders stark ausgeprägt. Nicht zuletzt der teure Lebensunterhalt, die Studiengebühren und das Fehlen eines Semestertickets für den Nahverkehr würde hier viele Schulabgänger vom Studium abhalten.

Aber auch wer eine Ausbildung anstrebt, habe es oft schwer: Viele Jugendliche würden partout keinen Ausbildungsplatz finden. Ob das Problem nicht häufig in der Qualität der Bewerber liege? "Die Betriebe machen es sich zu leicht, wenn sie sagen, die Bewerber wären nicht ausbildungsreif", so Wilke. In Punkto Fremdsprachen- oder Computerkenntnisse seien Jugendliche der Elterngeneration schließlich häufig überlegen.

In Vertretung des Landrats war schon zu Beginn Moosburgs Bürgermeisterin Anita Meinelt vor die Gewerkschafter getreten. In Hinblick auf NPD-Demonstrationen in mehreren Bundesländern sagte Meinelt, sie wolle "keinen Rechtsradikalismus in Deutschland und auch nicht bei uns im Landkreis Freising." Dem Zwischenapplaus nach zu urteilen, sehen das die DGB-Mitglieder ganz ähnlich.

© SZ vom 02.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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