Landkreis:Wenig weltmeisterlich

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Trotz aller WM-Euphorie haben gerade Fußballvereine auf dem Land zunehmend Probleme, Jugendmannschaften aufzustellen. Schuld daran ist vor allem der demografische Wandel: Es gibt nicht mehr genug Kinder

Von Thomas Radlmaier, Landkreis

Endlich wieder Fußball: Für viele Fans geht an diesem Wochenende eine kurze, aber langweilige, weil fußballfreie Zeit zu Ende: Es ist der erste Spieltag der Fußball-Bundesligasaison 2014/15. Millionen Fußballbegeisterte pilgern samstags und sonntags wieder in die Stadien der Republik.

Nie wieder Fußball: Einige ländliche Fußballvereine im Landkreis klagen über Nachwuchsprobleme im Herrenbereich. Zahlreiche Amateur-Fußballmannschaften von Rudelzhausen bis Massenhausen absolvieren an diesem Wochenende das dritte Saisonspiel in den unteren Ligen des BFV-Bezirkes Donau/Isar. Nicht wenige Reserve-Teams können nur deshalb mit elf Mann auflaufen, weil die Trainer altgediente Spieler rekrutieren, die ihre Fußballschuhe aus Altersgründen eigentlich schon an den Nagel gehängt haben. Aus der Jugend kommt oft nur wenig Personal nach. Viele Jugendliche brechen ihre fußballerische Karriere bereits in der C- und B-Jugend ab. Wie passt diese Entwicklung zu einem Land, das Fußballweltmeister ist und wo europaweit die meisten Menschen ins Stadion gehen?

Karl Rausch kennt die Problematik. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Jugendfördergemeinschaft (JFG) Team Holledau. Der Verein entstand vor elf Jahren, als der SV Hörgertshausen, die FVgg Gammelsdorf, der FC Wang und die SpVgg Mauern ihren Fußballjugendabteilungen zusammengelegt haben. Jeder Verein allein tat sich damals schwer, trotz geburtenstarker Jahrgänge genügend Kicker für Juniorenmannschaften von der D- bis zur A-Jugend auf den Platz zu bringen. Gemeinsam aber konnte man pro Jugend jeweils eine erste und eine Reserve-Mannschaft beim Bayerischen Fußball-Verbund (BFV) anmelden. Doch inzwischen reichen die Spieler nur noch für zwei D-Jugend-Teams und je eine C-, B- und A-Jugend-Mannschaft.

Der Nachwuchsschwund beim Team Holledau ist freilich keine Ausnahme: Laut der Mitgliederstatistik des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist die Zahl der bayerischen Jugendmannschaften von 20 699 im Jahr 2008 auf 17 728 im Jahr 2014 gesunken. Das Online-Portal Fußball Vorort berichtet, dass sich die Zahl der oberbayerischen A-Jugend-Mannschaften in den vergangenen zehn Jahren von 450 auf 387 verringert habe. In Niederbayern seien sogar nur noch 193 Teams übrig, so Fußball Vorort.

Georg Appels SE Freising hat keine Nachwuchssorgen. (Foto: Einfeldt)

Rausch spricht in Anbetracht der Diskussionen zum fußballerischen Nachwuchsmangel von einem "uneinheitlichen Trend", bei dem demografische Entwicklungen eine große Rolle spielen würden. Er erzählt, dass beispielsweise im vergangenen Jahr sieben bis acht neue D-Jugend-Spieler beim Team Holledau alleine aus Hörgertshausen gekommen seien. "Heuer war es dagegen nur einer. Das schwankt also sehr stark." Die Größe eines neuen Grundschuljahrgangs in einer Gemeinde sei ein guter Indikator, an dem man die Spieleranzahl grob abschätzen könne. Dementsprechend hätten Vereine in Kommunen, die Zuzugsgebiete seien, weniger Schwierigkeiten.

Tatsächlich melden die Fußballvereine aus Neufahrn, Eching und Hallbergmoos im Schnitt mehr Jugendteams beim BFV an als Vereine aus dem nördlichen Landkreis. Beispielsweise kann der TSV Rudelzhausen in der aktuellen Saison weder eine A- oder B- noch eine C-Jugend aufstellen. Auf der Homepage des TSV heißt es dazu: "Die A-, B-, und C-Junioren waren zu wenig Spieler für eine eigene Mannschaft. Unsere Spieler dieser Mannschaften spielen daher diese Saison gemeinsam mit dem SC Tegernbach, der SpVgg Attenkirchen und dem SV Oberhaindlfing beim TSV Au."

Georg Appel ist Fußballabteilungsleiter beim SE Freising. Er sagt: "Es gibt einfach weniger Kinder als vor 20 Jahren. Da muss man höllisch aufpassen." Der SEF habe aber "glücklicherweise keine Probleme", so Appel. In der F- und G-Jugend nähmen die Freisinger jedes Kind auf, das mit dem Fußballspielen beginnen wolle. "Ab der D-Jugend spielen wir dann in höheren Ligen. Da kann natürlich nicht jeder spielen, der gerne möchte."

Sowohl Appel als auch Rausch glauben nicht, dass Jugendlichen aufgrund Zeitmangels durch das G8 weniger Fußball spielen. Rausch, der selbst am Moosburger Gymnasium unterrichtet, sagt: "Der Schulstress fällt erst in den höheren Schulklassen ins Gewicht." Doch da hätten viele Jugendliche bereits mit dem Fußball aufgehört. "Die meisten brechen in der C- und B-Jugend weg", so Rausch. In diesem Alter würden einige Nachwuchskicker merken, dass sie eigentlich andere Interessen haben. "Als Teenager hat man einfach oft andere Sachen im Kopf als Fußball." Die Spieler, die dagegen auch nach der B-Jugend noch weiterspielen würden, "die spielen dann meistens durch bis in den Herrenbereich".

© SZ vom 23.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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