Jagen im Landkreis Freising:Wenn die Frau die Beute bringt

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Im Landkreis Freising interessieren sich immer mehr Frauen für das Jagdwesen. Dafür steht bei manchen der Mann am Hernd.

Eva-Maria Glück

Der kühne Jäger erlegt das Wild, bringt es seiner Liebsten mit stolzgeschwellter Brust zur Zubereitung in die heimische Küche? Das traditionelle Jäger- und Sammlerprinzip, es funktioniert heute nicht mehr. Nicht nur, dass das Überleben schon durch einen einfachen Supermarkt-Besuch gesichert werden könnte. Es sind auch immer öfter Frauen, die da die Wälder durchstreifen, die Natur pflegen, das Wild erlegen.

Mit Gewehr und Jagdhund unterwegs: Jägerin Silvia Tüllmann aus Gremertshausen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die vermeintliche Männerdomäne Jagd befindet sich klar im Wandel. Immer mehr Frauen interessieren sich für das Jagdwesen und zeigen keine Scheu im Umgang mit der Waffe. An der Landesjagdschule in Feldkirchen gibt es für den Jagdschein jedes Jahr vier Prüfungstermine, am dritten Prüfungstermin im August waren 15 der insgesamt 75 Jäger-Anwärter Frauen. "Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Frauen nehmen an der Jagdprüfung teil", sagt Thomas Schreder, Sprecher des Bayerischen Jagdverbandes (BJV).

Der allgemein gültigen Auffassung, dass das Jagen geschichtlich schon immer den Männern zugeschrieben wurde, kann Schreder widersprechen: "Auch Marie Antoinette war schon begeisterte Jägerin." Nicht zu vergessen, dass auch in der griechischen Mythologie eine Frau, Artemis, als Göttin der Jagd galt und mit Pfeil und Bogen durch die Wälder streifte. "Allerdings haben sich die Zeiten geändert, die Frau stand dann in der Küche, kümmerte sich um die Kinder. Doch auch das gehört heute der Vergangenheit an", so Schreder. So strömten die Frauen heute auch in die Wälder, von den Männern werde diese Entwicklung begrüßt. "Das lockert die Sache auf."

Wird man als weibliche Jägerin von den Herren also nicht belächelt? "In der Regel nicht", sagt Silvia Tüllmann, Vorstandsmitglied des Freisinger Jagdschutz- und Jägervereins. Natürlich gebe es immer mal wieder Männer, die sich mit dem Gedanken erst arrangieren müssen, "aber die Emanzipation kommt ja von beiden Seiten". Der Geschlechterunterschied sei heute im Großen und Ganzen "nicht mehr erwähnenswert". Tüllmann hält aber nichts von "Pseudo-Jägerinnen", die nach dem Motto: "Kann mir mal jemand helfen?" agierten aber Angst hätten, sich die Finger schmutzig zu machen. Solche Jagd-Anwärter würden die überaus schwierige Prüfung aber auch kaum schaffen.

Die Jagd ist für die Apothekerin mehr Berufung als Hobby, sie selbst hat den Jagdschein seit 1972 und kam durch ihre Schwiegermutter zur Ausbildung. Diese war wohl eine Pionierin im Jagdwesen, doch auch als Silvia Tüllmann die Jagdschule besuchte, war sie als Frau noch allein auf weiter Flur. Das steigende Interesse an der Jägerei habe verschiedenste Gründe, "früher hat sich diese Möglichkeit für die meisten Frauen einfach nicht aufgetan". Persönlich schätzt Tüllmann am Jagen das Zusammenspiel der Natur und betont die Achtung vor dem Geschöpf. Die Begeisterung für die Jagd hat sich mittlerweile auf ihre Familie übertragen, auch ihre zwei Söhne sind passionierte Jäger.

Walter Bott, Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägervereins, freut sich über die steigenden weiblichen Mitgliederzahlen in seinem Verein. "Letztes Jahr haben wieder zwei Frauen aus dem Landkreis die Prüfung abgelegt", weiß Bott. Aktuell zähle der Verein 75 weibliche Mitglieder, "das entspricht elf Prozent unserer gesamten Mitgliederzahl". Die Begeisterung von Frauen für die Jägerei sei eine Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt habe. Eine weibliche Jägerin löse manchmal schon noch Verwunderung aus - nach dem Motto "Wie gibt's denn das, eine Frau?", aber Bott sieht das vor dem Hintergrund der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung als Ausnahme: "Die strenge Trennung nach Frauen- und Männerberufen ist überholt und es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht jagen sollten."

Selbstverständlich könne man nicht erwarten, dass der Frauenanteil sofort bei 50 Prozent liege. Bott schätzt aber, dass sich die prozentualen Verhältnisse in den nächsten Jahrzehnten angleichen werden. Laut BJV liegt der Frauenanteil mit rund 3000 Jägerinnen, die im gut 43000 Mitglieder starken Verband organisiert sind, derzeit bei 6,7 Prozent, das sind 0,3 Prozent mehr als 2009.

Eine, die im Vorjahr zur Steigerung der Mitgliederzahlen im Freisinger Verband beigetragen hat, ist die Kranzbergerin Susanne Sperlich. Durch ihre Hunde sei sie zur Jägerei gekommen und habe auch schon immer "einen Jagdtrieb verspürt. Dann dachte ich mir, ich legalisiere das einfach", erzählt Sperlich. In der Regel kämen Frauen durch die Familie zum Jagdwesen, bei ihr war es die Arbeit mit Hunden. Nachdem sie als Großstadtkind aufwuchs, zog es die 39-Jährige schon immer in die Natur. "Früher stand die Frau am Herd und der Mann hat die Beute gebracht, bei uns ist es anders herum."

In der Jagdausbildung hatte Sperlich noch Angst, bei den Männer nicht auf Anerkennung zu stoßen, allerdings hat sich dies nicht bestätigt. "Eine Tussi darf man aber nicht sein, man muss sich schon behaupten können." Und damit klarkommen, dass man auch heute noch als Frau in der Jägerei oft die Ausnahme bleibt. In ihrem Jagdkurs waren von 35 Teilnehmern allerdings 14 Frauen, viele waren Ehegattinnen von Jägern und Hundebesitzer. "Wir sind also klar auf dem Vormarsch", freut sich Sperlich.

© SZ vom 04.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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