Gepflanzt von einem "Baum-Hüter":Lebensraum für Elfen und Gottheiten

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In der Nachbarschaft der Papst-Linde wird auf dem Domberg seit kurzem ein Buddha-Baum gehegt

Gudrun Regelein

Der Mönch steht im gleißenden Sonnenlicht vor der Eingangstür seines Klosters und blickt liebevoll auf das Bäumchen, das auf einem weißen Marmorpodest vor der Hauswand steht. Auf den ersten Blick scheint es ein ganz gewöhnlicher junger Baum zu sein, mit seinem dünnen, von einem Bambusstab gestützten Stamm und den noch wenigen, herzförmigen Blättern. Außergewöhnlich ist vielleicht die goldene Vase aus Messing, in der er steht. Bhikkhu Thitadhammo, der buddhistische Mönch und Klostervorsteher, blinzelt gegen die Sonne und sagt: "Das ist unser Bodhibaum. Ein Ableger eines Ur-ur-ur-Enkels des Baumes, unter dem Siddharta Gautama vor 2600 Jahren zu einem vollkommen erwachten Wesen, also einem Buddha, wurde."

Nur fünfzehn Zentimeter groß war der Ableger des Ficus religiosa, der Pappel-Feige, den der Mönch von seiner Reise nach Italien im vergangenen Oktober mitgebracht hat. Auf der Rückreise vom Weltfriedensgebet der Religionen in Assisi, zu dem er von Papst Benedikt als Vertreter des Buddhismus eingeladen war, besuchte er ein von thailändischen Mönchen gegründetes Kloster nördlich von Rom. Von dort durfte er den winzigen Ableger der auch als Bodhi- oder Buddhabaum bezeichneten Pappel-Feige nach Freising mitnehmen. Hier wurde er ins Wasser gesetzt, bis er Wurzeln austrieb und dann von dem "Baumhüter", einem aus Sri Lanka stammenden Doktoranden aus Weihenstephan, eingepflanzt. Denn Bhikkhu Thitadhammo darf das als Buddhist selber nicht machen, beim Graben in der Erde könnten Lebewesen getötet werden, erklärt er.

Das Bäumchen ist im vergangenen dreiviertel Jahr schon ganz schön gewachsen, zuletzt sei es noch einmal nach oben "geschossen". Es misst nun etwa 40 Zentimeter. Der Baum, der bis zu 30 Meter hoch werden kann und in seinem breiten Baumdach viele Luftwurzeln trägt, ist allerdings eigentlich nicht für das Klima in Deutschland geeignet. Deshalb holt ihn der Mönch auch hinein, wenn es zu kalt wird, wenn ein heftiger Wind weht oder starker Regen fällt - "wir umsorgen ihn wie ein kleines Baby", meint Bhikkhu Thitadhammo. Und später, wenn er höher gewachsen ist, dann müsse er ins Gewächshaus. "Vielleicht kann er ja ein eigenes Bodhi-Baumhaus im Staudengarten bekommen", sagt der Mönch und lacht.

Der Bodhi-Baum, der fast in allen südostasiatischen Tempelanlagen zu finden ist, wird als heilig verehrt - als "Baum des Erwachens", der dem Buddha Obdach gab. Er gilt auch in der buddhistischen Kunst als Symbol des Buddha. Deshalb bekommt er als Zeichen der Würdigung, und natürlich um ihn zu schützen, in Sri Lanka oftmals einen goldenen Zaun - das Freisinger Bäumchen erhielt zumindest schon einmal seine goldene Vase. Der Baum wird aber auch als Lebewesen, als Persönlichkeit verehrt: "In den Bäumen leben Baumelfen und Gottheiten", sagt der Mönch. Begrüßt wird der heilige Baum mit gefalteten Händen: "Wir bringen ihm Hochachtung entgegen."

Berühmte Gesellschaft hat das Bäumchen auf dem Freisinger Domberg bereits mit der im vergangenen Sommer gepflanzten Papst-Benedikt-Linde bekommen, die an das Wirken und den Menschen Josef Ratzinger erinnern soll. Der Mönch lächelt und sagt nachdenklich: "Was sich da die Baumgottheiten wohl alles zu erzählen haben?"

© SZ vom 28.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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