Freising: Stadt der Bierkeller:Sieben Meter unter der Erde

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Freisings Stadtarchivar Florian Notter führt Kinder und ihre Eltern durch die Bierkeller unter dem Lindenkeller. Dort wurde nicht nur Bier gelagert. Im Zweiten Weltkrieg haben sich die Freisinger dort auch vor den Bombenangriffen der Alliierten in Sicherheit gebracht.

Von Maik Wilke

Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben gestaunt, als sie am vergangenen Freitag den ehemaligen Bierkeller unter dem Lindenkeller besichtigten. Dabei überraschte vor allem die Größe und die Geschichte der Gewölbe, die Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden. Etwa 30 Meter lang, sechs Meter breit und fünf Meter hoch war der feuchtkalte Keller, durch den Stadtarchivar Florian Notter führte.

Die Tour begann jedoch mit einer Verzögerung, weil zu viele Interessierte erschienen waren, um die alten Gewölbe zu erkunden. Organisator Florian Lehrmann musste daher alle über 18-Jährigen bitten, Kindern und deren Eltern den Vorzug zu lassen. "Mit so vielen Leuten hatte ich nicht gerechnet", gestand er. Die etwa 50 übrig gebliebenen Teilnehmer bekamen zunächst außerhalb der Keller Informationen zur Vergangenheit der Gewölbe. "Im frühen 19. Jahrhundert gab es 20 bürgerliche Brauereien in Freising", erzählte Stadthistoriker Florian Notter. "Mit der steigenden Produktion musste man geeignete Plätze für die Lagerung finden." Die Brauer hätten das Bier nicht nur in den Kellern gelagert, sondern an Ort und Stelle ausgeschenkt, erläuterte Notter. So seien im Laufe der Zeit die Biergärten entstanden.

Die Kindern konnten mit den Informationen zur Vergangenheit der Bierkultur noch nicht viel anfangen. Sie klammerten sich an die Eltern oder tuschelten untereinander. Dies änderte sich aber, als die Gruppe über einen kleinen Seiteneingang den ersten Keller betrat. Die Beleuchtung in den Gewölben war spärlich. Es mussten in einigen Nebenräumen Taschenlampen ausreichen, um alles zu erkunden, was die Spannung bei den Kindern und Jugendlichen allerdings steigerte. Dazu kam, dass auf dem Boden teilweise Schutt und gebrochene Ziegel lagen, die gewisse Stolperfallen darstellten. Apropos Ziegel: In einer Zeit, in der noch nicht mit Beton gebaut wurde, seien die Ziegel das wichtigste Baumaterial und gerade in Freising von hoher Qualität gewesen, berichtet Notter. Über Hunderttausend davon seien in diesen Gewölben verarbeitet. Über schmale Gänge, in denen die Erwachsenen ihre Köpfe einziehen mussten, gelangte die Gruppe in das zweite, tieferliegende Kellergewölbe. Hier gingen dann auch die letzten Jacken zu und Hände wurden zum Aufwärmen aneinander gerieben. Dass das Bier in den Kellern schön kühl gelagert werden konnte, war für jeden spürbar.

Kälte und Größe beeindruckten auch die elfjährige Tonja aus Freising: "Das ist alles so groß und man kommt nur über einen so kleinen Eingang rein", erzählt sie. Für ihre Mutter Marianne Moré war dagegen die Geschichte des Kellers faszinierend: "Man bekommt hier drin mal eine ganz andere Atmosphäre vermittelt. Außerdem ist es spannend, was diese Keller über die Zeit alles schon erlebt haben." Dies sei nämlich nicht nur das Rein- und Rausrollen der Bierfässer gewesen, berichtet Florian Notter. Ende des Zweiten Weltkriegs versteckten sich Freisinger vor amerikanischen Fliegern in den unterirdischen Räumen. Allerdings habe es häufiger Fliegeralarm gegeben, ohne dass wirklich Gefahr drohte. Als es am 18. April 1945 dann zu Bombenangriffen der Alliierten kam, dachten einige Freisinger, es handle sich erneut um einen Fehlalarm. In den letzten Tagen des Kriegs verschanzten sich auch Nationalsozialisten in den Kellern, die sechs bis sieben Meter unter der Oberfläche liegen.

Den Mythos eines Tunnelsystems, das in Freising von Keller zu Keller führen soll, musste Florian Notter widerlegen: "Das wird gerne mal erzählt, in Wahrheit gibt es diese Verbindungen aber nicht." Für den 17-Jährigen Hendrik Buss war das eine kleine Enttäuschung: "Es ist ein wenig schade, dass es dieses Netz nicht gibt, weil sonst häufig davon erzählt wird", meinte er. Am 26. Juli veranstaltet die Stadt Freising eine weitere Führung durch die ehemaligen Bierkeller.

© SZ vom 14.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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