Briefe im Gebüsch:Wenn der Postmann gar nicht klingelt

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Ein Zusteller in Hallbergmoos hat rund 640 Wahlbenachrichtigungen in einem Gebüsch entsorgt, anstatt sie den Wählern zuzustellen. Ob er ein politisches Motiv hatte oder einfach überlastet war, ist derzeit noch unklar.

Von Nicola Huber und Kim Björn Becker

Für die Deutsche Post ist es eine "unrühmliche Ausnahme", für den zuständigen Kreiswahlleiter ein "untragbares Verhalten": In Hallbergmoos hat ein Postbote etwa 640 Briefe mit Wahlbenachrichtigungskarten einfach entsorgt, anstatt sie an die Wähler auszuliefern. Betroffen sind die Bürger mehrerer Straßenzüge in Hallbergmoos. Dabei handelte es sich um Benachrichtigungen für die bevorstehende Landtagswahl am 15. September. Darüber hinaus seien auch Benachrichtigungen für die Bundestagswahl nicht angekommen, heißt es im Hallbergmooser Rathaus. Ob ein Zusammenhang besteht, sei aber noch unklar.

Der Vorfall ereignete sich bereits am vergangenen Donnerstag, 29. August. Ein Radfahrer hatte beobachtet, wie ein Postbote in der Zeppelinstraße im Hallbergmooser Gewerbegebiet Briefe aus einem Auto heraus ins Gebüsch warf und informierte daraufhin die Neufahrner Polizei. Die Beamten haben die Identität des Postboten inzwischen festgestellt. Nach Informationen der Deutschen Post laufe gegen den betroffenen Mitarbeiter bereits ein außerordentliches Kündigungsverfahren. Derzeit sei der Mann vom Dienst suspendiert. Bei der Aushilfskraft handle es sich um "keinen gelernten Postler".

Zum genauen Motiv des Mannes wollten die Behörden wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens noch keine Auskünfte geben. Matthias Knüttel von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi könnte sich vorstellen, dass der Mitarbeiter schlicht überlastet war. Er selbst habe bereits als Zusteller gearbeitet und wisse aus eigener Erfahrung um die Problematik, so Knüttel. "Vor allem durch den Internetversand ist die Zahl der auszuliefernden Pakete in den letzten drei Jahren um das dreifache gestiegen", berichtet er. Während noch Anfang des Jahrzehnts im Schnitt 20 Pakete pro Tag ausgeliefert werden mussten, seien es heute schon 50 bis 70. Dazu komme die Briefpost: "Wenn man jetzt bedenkt, dass die Wahlkarten zusätzlich noch in jeden Haushalt gebracht werden müssen, dann ist das eine zu große Belastung. Der Job eines Postboten ist nicht mehr derselbe wie früher", so Knüttel. Verdi trifft sich demnächst mit den Betriebsräten in Bayern, um die unbefriedigende Situation der Postboten zu besprechen. Dabei werde nach möglichen Handlungsmöglichkeiten gesucht.

Kreiswahlleiter Michael Mallow kritisierte das Vorgehen des nun suspendierten Zustellers scharf. Auf die bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlen werde sich die Tat aber nicht auswirken, so Mallow. Betroffene Wähler können ihr Kreuz auch dann machen, wenn sie keine Wahlbenachrichtigungskarte mit ins Wahllokal bringen - ein gültiger Personalausweis oder Reisepass reicht aus. Dies gilt auch für jene, die jetzt noch Briefwahlunterlagen anfordern wollen. Die vom Postboten entsorgten Benachrichtigungen seien von der Polizei sichergestellt worden. Nach Absprache mit dem Landeswahlleiter und dem bayerischen Innenministerium hat Mallow entschieden, alle knapp 7000 Wahlberechtigten in Hallbergmoos erneut anzuschreiben. Darin sollen die Bürger über den Vorfall informiert werden und Auskunft erhalten, in welchem Wahllokal sie ihre Stimme abgeben können. Die Kosten dafür hat die Post übernommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Postboten im Freistaat Briefsendungen unterschlagen. Im Dezember des vergangenen Jahres wurde bekannt, dass ein Münchner Zusteller etwa 10 000 Briefe in seinem Spind gehortet hat. Als Grund nannte der Mann Zeitmangel. Ebenfalls in München entsorgte ein Postbote im August 2011 mehr als 150 Briefe in Mülltonnen. Und in Regensburg hatte ein Postbote im Jahr 2010 unzählige Briefe und Pakete im Wald versteckt. Den Beamten sagte der 19-Jährige, er sei überfordert gewesen. Von den Staatsanwaltschaften und Gerichten werden Fälle wie diese vielfach als Verletzung das Postgeheimnisses gewertet. Tätern droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

© SZ vom 05.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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