Alleinerziehende:Frust bei der Wohnungssuche

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Das Frauenhaus in Freising platzt aus allen Nähten. Frauen finden im Landkreis keine geeigneten Unterkünfte. Eine Mutter mit vier Kindern kehrt am Ende aus schierer Verzweiflung sogar zu ihrem gewalttätigen Mann zurück.

Von Gudrun Regelein

Das Frauenhaus in Freising ist nicht nur voll, sondern übervoll. 2012 betrug die Gesamtauslastung sogar 104 Prozent. Grund dafür: Viele Frauen müssen mit ihren Kindern sehr lange - teilweise viele Monate oder sogar ein Jahr - bleiben, da sie keine geeignete Wohnung für sich finden. "Die Überbelegung ist für uns ein brisantes Thema", sagt Alexandra Mozelewski, die Leiterin des Frauenhauses und der Beratungsstelle "Freisinger Interventions Modell" (FIM). "Wir alle sind sehr verzweifelt." Aber in den anderen bayerischen Frauenhäusern sei die Situation ähnlich. Gerade für Frauen mit Kindern sei es fast unmöglich, geeigneten Wohnraum zu finden.

Denn abgesehen davon, dass der Markt in Freising und im Einzugsgebiet nahezu leer gefegt ist, dürfen Frauen, die Arbeitslosengeld II beantragt haben, sich keine Wohnung oberhalb einer vorgegebenen Mietobergrenze suchen: Eine alleinstehende Frau beispielsweise darf höchstens eine 50 Quadratmeter große Wohnung für eine maximale Kaltmiete von 450 Euro beziehen. Bei einer Frau mit drei Kindern darf die Wohnung maximal 90 Quadratmeter groß sein und höchstens 705 Euro kalt kosten. "So etwas findet man bei uns aber nicht", stellt die Frauenhausleiterin fest. Sozial geförderter Wohnraum sei sehr knapp und "unsere Frauen haben da keine Chance", sagt Mozelewski. Sie selber kann sich nicht daran erinnern, wann zuletzt eine Frau von der Stadt eine Sozialwohnung vermittelt bekam.

Auf dem freien Markt sei für diese Preise aber auch nichts zu finden, sagt die Frauenhaus-Leiterin. Diese Krise müsse man dann wieder mit den Frauen zusammen überstehen: "Erst haben sie ihre traumatischen Erlebnisse verarbeitet, sich bei uns stabilisiert. Es geht ihnen wieder gut - dann fallen sie wegen der vergeblichen Wohnungssuche wieder von einem Loch ins nächste", schildert Mozelewski. Sie erinnert sich noch gut an einen Fall aus dem vergangenen Jahr, der sie "sehr betroffen" machte: Eine Frau mit vier Kindern, die vor ihrem gewalttätigen Mann im Frauenhaus Schutz gesucht hatte, war nach acht Monaten zu diesem zurückgegangen. Sie hatte monatelang nach einer eigenen Wohnung für sich und die Kinder gesucht - vergeblich. Sie habe es im Frauenhauseinfach nicht mehr ausgehalten, die Frusterlebnisse bei der Wohnungssuche hätten sie zermürbt, die gewonnene Kraft und Stabilität ging verloren, schildert Mozelewski. "Ich habe mit Engelszungen versucht, sie zu überreden, hier zu bleiben - vergeblich. Es war sehr frustrierend." Aber nicht nur die bereits im Frauenhaus lebenden Frauen und deren traumatisierte Kinder sind betroffen. Wenn ein Platz sehr lange belegt sei, könne eine andere Frau in einer Krisensituation nicht aufgenommen werden.

Robert Zellner, der Leiter des Amts für soziale Angelegenheiten, kennt das Dilemma. Bei den öffentlich geförderten Wohnungen gebe es momentan einen "kompletten Stopp", sagt er. Die Stadt habe das Problem, dass jede freie Wohnung mit sogenannten "Umsetzern" belegt werden muss. Das sind Menschen, die bislang in Sozialwohnungen lebten, die nun aber saniert oder sogar komplett neu gebaut werden müssen, wie die in der Joseph-Schlecht-Straße. "Die haben Priorität", berichtet Zellner. Auch ihm sind die Hände gebunden. Habe er normalerweise etwa 330 Bewerber für eine öffentlich geförderte Wohnung, so seien es mittlerweile über 500. "Wir hangeln uns von Monat zu Monat", sagt Zellner. Das Problem aber sei nicht kurzfristig zu lösen. Gerade auch deswegen, weil die Stadt Freising die einzige Gemeinde im Landkreis sei, die momentan sozialen Wohnungsbau betreibe.

Frauen aus dem Frauenhaus hätten in der Vergaberichtlinie, die sich an einer Art Punktesystem orientiert, sogar eine relativ hohe Dringlichkeit, erklärt Zellner, nämlich 79 von 99 möglichen Punkten. "Diese Frauen waren mir schon immer ein Anliegen", sagt er. Aber es gebe einfach keine Wohnungen, die er vergeben könne - die in Freising 789 sozial geförderten Wohnungen sind alle belegt. "Irgendwie müssen wir durch die Phase der Renovierung und des Neubaus kommen", meint Zellner. Denn marode Wohnungen oder solche mit Schimmel könne man auch nicht weitergeben. "Das ist auch für uns alles eine psychische Belastung, wenn man die Schicksale der Wohnungsuchenden hört und nicht weiterhelfen kann."

© SZ vom 05.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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