"Franz Ferdinand":Raus aus Rosenheim

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Die Geschichte zweier Brüder, von denen einer in einer sehr gefragten Rockband Gitarre spielt, während der andere in einer bislang weniger bekannten Gruppe singt und als Landschaftsgärtner sein Geld verdient: Nicholas von Franz Ferdinand und sein Bruder Matthew.

David Weigend

Der Landschaftsgärtner heißt Matthew McCarthy (31), seine Band Bambi Dexter. Matthew"s Bruder heißt Nicholas McCarthy (30), Gitarrist bei den Überfliegern Franz Ferdinand. Beide spielen sie mit ihren Gruppen heute in der ausverkauften Elserhalle. Das hat schon etwas Feierliches, denn, so Nick: "Ohne Matthew hätte ich gar nicht angefangen, Musik zu machen. Er hatte einen Rieseneinfluss auf mich."

Matthew ist der linke, Nick steht vorne. Was aus Matthew wurde, sieht man auf der nächsten Seite. (Foto: Foto: oh)

Früher gingen der kleine Nick und der anderthalb Jahre ältere Matthew gemeinsam zum Klavierunterricht, "immer dienstags beim Herrn Schwindt, wahrscheinlich wollten unsere Eltern Geld sparen", sagt Matthew, dreht seine Kippe fertig und nimmt einen tiefen Schluck Flötzinger.

Er sitzt in einem Rosenheimer Biergarten unter maigrünen Kastanien, trägt noch seine Arbeitsklamotten, Schuhe mit Stahlkappen, verdreckte Hose, ein abgewetztes Superman-Shirt. Die braunen Haare hängen ihm leicht verwildert hinter den Ohren. "Ich hatte irgendwann keinen Bock mehr auf Klavier und bin auf Gitarre umgestiegen." Mit 13 sang Matthew in seiner ersten Punkband.

Der kleine Nick kam zu ihm ins Zimmer und war fasziniert. "Matthew hat mir ,Wild Thing" beigebracht und ,Hey Joe", das waren meine ersten Gitarrenriffs", sagt er. Seine musikalische Sozialisation erfuhr am 15. Geburtstag einen weiteren Höhepunkt. Matthew, inzwischen der Rebell von Rosenheim mit knallbunten Haaren und Springerstiefeln, schenkte seinem jüngeren Bruder die Eintrittskarte zum ersten Konzert: Die Abstürzenden Brieftauben live im Kursaal zu Bad Aibling. "Voll beschissen, ich hab die mit den Einstürzenden Neubauten verwechselt", sagt Matthew und dreht sich gleich die nächste. "Ja, der Sänger ist dauernd auf die Schnauze geflogen", erinnert sich Nick.

Stilistische Fortentwicklung: Jetzt mit Hut. (Foto: Foto: oh)

Das sollte wenig später auch Matthew passieren, allerdings nicht körperlich. "Wegen so "ner blöden Hasch-Geschichte bin ich von der Realschule geflogen", sagt Matthew, trotz einer großen Demo von sympathisierenden Mitschülern. Und für den Fall, dass Nick das Gymnasium nicht schaffen und auf die Realschule versetzt werden sollte, verabschiedete der Direktor den Bannspruch: "Es wird nie wieder ein McCarthy dieses Schulhaus betreten."

Nick jedoch meisterte das Gymnasium, ging nach München und studierte Kontrabass. "24 Stunden am Tag üben, das reicht nicht, Herr McCarthy", pflegte ihm ein Professor zu sagen, und Nick übte wie ein Besessener. Kaum zu glauben, dass er einige Jahre zuvor noch "kleptomanische Neigungen" zeigte, wie Matthew berichtet. "Einmal hat der mit Kumpels einen Laster aufgebrochen und zu Schrott gefahren, einfach so."

Es wird kolportiert, dass aus dem fahruntüchtigen LKW Gegenstände verschwunden seien, unter anderem ein Fernsehgerät, das wenig später in der guten Stube einer britischen Familie für Freude gesorgt haben soll.

Softies sind sie nicht, die McCarthys, die in der Nähe von Blackpool in Nordengland geboren wurden und im Kindergartenalter ins Bayerische zogen, weil der Vater einen Arbeitsplatz bei DaimlerBenz-Aerospace annahm. Seit Nick sein Studium in München abgeschlossen hat und seiner Freundin gen Glasgow nachgezogen ist, sehen sich die Brüder selten, auch deshalb, weil Nick mit Franz Ferdinand groß rauskam und dauernd rockstarmäßig durch die Welt tourt. "Gestern hatten wir einen Gig in Stockholm", sagt Nick. "Unser Sänger Alex sprang irgendwann in die Menge und es hat ewig gedauert, bis die Fans ihn wieder zurückbefördert haben."

Wenn Matthew von seinem letzten Konzert mit Bambi Dexter erzählt, klingt das etwas anders. "Wir haben in Prien am Chiemsee gespielt, im Belle Etage. Die Stimmung war ganz gut, waren so 50 Leute da." Vorgruppe: Falcon Ass aus Wasserburg.

Bambi Dexter machen im Übrigen einiges her und spielen schwer fetzigen Indierock. Jedoch liegen in Punkto Popularität Welten zwischen Franz Ferdinand und Bambi Dexter, und man könnte sich fragen, ob dieser Unterschied Differenzen oder einseitigen Neid in der Bruderbeziehung ausgelöst hat.

Antwort: Nein. Nick und Matthew sprechen voneinander meist in respektablem Tonfall. Matthew scheint seinem Bruder den Erfolg durchaus zu gönnen. "Der Nick war schon immer ein Macher, einer der die anderen aufraffen und mitziehen wollte, auch wenn das manchmal egozentrische Züge annahm."

Umgekehrt freut sich Nick darüber, dem großen Bruder etwas von seinem derzeitigen Erfolg abgeben zu können. "Ich finde Bambi Dexter und seine Musik ja auch geil. Die hätten sich wirklich einen Plattenvertrag verdient", sagt Nick. Bloß sei das in Oberbayern etwas schwieriger als in Glasgow, eine Stadt mit einer "unglaublichen Szene". In München dachte Nick ja schon, er sei ein harter Typ, "aber in Glasgow habe ich gemerkt, dass da noch viel heftigere Typen am Start sind".

Dennoch scheint ihm der wilde Einfluss seines großen Bruders, den heute alle nur Mash nennen, gut getan zu haben, verbunden mit einer erdigen Portion Bad Aiblinger Landleben. Mash: "Wenn du in München aufwächst, gehst du vielleicht mal in den Müllermarkt und klaust "ne CD. Wir sind früher in den Wald gegangen und haben einen Baum gefällt."

Wenn man Mash anruft, kann es sein, dass er gerade Brotzeit macht auf einer eigenhändig begrünten Terrasse. Bei Nick geht öfters sein Manager ans Telefon, oder er fährt im frischgebügelten Hemd durch irgendeine Metropole.

Heute Abend werden sich die Brüder vermutlich bei einem Whisky gegenüber sitzen, und vielleicht erinnern sie sich dabei an die Musik, die früher zu Hause lief: "Sonntags Jazz, ansonsten die Beatles rauf und runter."

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