Flughafen-Klinik:Zauberwort "Medizintourismus"

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Ein 24-Stunden-Service für die Passagiere ist gewährleistet, sei es nun wegen Bauchschmerzen oder um die lädierte Bandscheibe zu kurieren. Die "AirportClinic M" - ein modernes Krankenkaus mit direktem Blick aufs Rollfeld.

Sibylle Steinkohl

(SZ vom 24.6.2003) — Der erste Blick unter den neu gelifteten Lidern: aufs Flugfeld. Der erste Gang mit dem frisch operierten Knie: zu Terminalbereich C und wieder zurück nach D. Wenn mitten im Flughafen eine Klinik entsteht, erwartet den Patienten ein einigermaßen ungewöhnliches Ambiente.

Durch die Fenster auf der einen Seite lassen sich gerade das Rangieren eines Flugzeugs und die An- und Abfahrt der Versorgungswagen beobachten, gegenüber, dort wo man das Mini-Krankenhaus betritt, eilen Passagiere mit ihren Koffern auf dem Weg zur Parkgarage vorbei. Ein Glaskubus mit dem eingravierten Namen AirportClinic M, einer langen Liste der Ärzte und einer Automatiktür wurden vor den alten Eingang gesetzt: ein freundlicheres Entree als das bisherige schwere Brandschutztor.

Drinnen unterscheidet sich die Flughafenklinik dann kaum mehr von einem dieser modernen Medizinzentren mit zwei High-Tech-OP-Sälen, acht Krankenzimmern in lichten gelb-blauen Farbtönen und einem großzügigen Rezeptions- und Aufenthaltsbereich, dem Handwerker gerade den letzten Schliff verpassen.

Das Ende des Dornröschenschlafs

"Wir haben gesehen, dass die OPs hier seit zehn Jahren im Dornröschenschlaf liegen", sagt Werner Zirngibl und schildert voller Begeisterung, was nun alles stattfinden wird. Der 46-jährige Orthopäde mit Praxis in München ist einer der Prinzen, der das vormalige Medizinische Zentrum des Flughafens wachküssen will - als "Geschäftsführender Mitgesellschafter der MediCare Flughafen München GmbH" und als einer der operierenden Mediziner.

Rund 20 Namen umfasst der Ärzteverbund bis jetzt: Spezialisten in Orthopädie, Plastischer Chirurgie, Hals-Nasen-Ohren- und Augenheilkunde, Kieferorthopädie und Anästhesie. Einige haben schon länger eine Praxis im MAC, dem wenige hundert Meter entfernten Münchner Airport Center. Das Ärztenetz, das auch eine Kooperation mit dem Klinikum Starnberg abgeschlossen hat, hält 49 Prozent der Anteile an MediCare.

Mehrheitsgesellschafter ist die Flughafen München GmbH, die FMG. "So wie wir unsere eigenes Bier brauen, das Airbräu, wollen wir auch in der Medizin etwas Neues machen", sagt Norbert Reigl. Er ist in der FMG für die 13 Tochtergesellschaften zuständig und kaufmännischer Geschäftsführer von MediCare, wie sich der gesamte Medizinbetrieb am Flughafen nach seiner Privatisierung vor eineinhalb Jahren nennt.

Hans Hammel kommt aus einem der Behandlungsräume. Drinnen liegt ein Mann, der sich bei einem Autounfall am Flugfeld womöglich ein Schleudertrauma zugezogen hat. "Die Notfallversorgung läuft weiterhin in ihrer bisherigen Qualität ab", betont der Flughafenarzt, der seit Anbeginn in Erding Dienst tut und nun auch als Geschäftsführer der neuen Medizingesellschaft fungiert.

In dieser Eigenschaft war er gerade auf einer Touristikmesse in Dubai, um die Fühler nach ausländischen Patienten auszustrecken. Ein junger Mann habe sich zum Beispiel wegen seiner Verletzung nach einem Orthopäden erkundigt, berichtet Hammel, und eine Frau, ebenfalls aus einem arabischen Land, habe per E-Mail nach einem Spezialisten in plastischer Chirurgie gefragt.

Zauberwort Medizintourismus

"Medizintourismus" heißt das Zauberwort, für den das Krankenhaus am Flugsteig eine "Schalt- und Waltstelle" werden soll. "Der Patient wird vom Flugzeug direkt zu uns gebracht und er fliegt nach Haus zurück, ohne dass er den Airport verlassen hat", stellt sich Zirngibl vor. Und die Angehörigen wohnen im Hotel gleich nebenan.

München sei eine medizinische Top-Adresse, sagt der Arzt, und wegen der günstigen Lage für viele Länder interessant. "Aber", fügt er sogleich hinzu, "wir sind keine Schicki-Micki-Klinik zum Liften für reiche Ölscheichs." Darauf legt er Wert, denn dieser Ruf haftet bereits etwas an der AirportClinic, deren elf Betten nur als privat abgerechnet werden können. Für ambulanten Eingriffe sind aber auch Kassenpatienten willkommen.

Während der Testphase im ersten Halbjahr 2003 wurden rund 600 Operationen vorgenommen, teils gingen die Patienten gleich wieder nach Hause, teils blieben sie einen oder zwei Tage in der Klinik. Leute aus Niederbayern würden über die Autobahn gerne zum Flughafen fahren, erzählt Zirngibl, aber auch Erdinger, Freisinger und Münchner wollten sich dort Bandscheiben kurieren, Falten glätten, Zahnimplantate einsetzen und den grauen Star weglasern lassen.

Einen besonderen Service werden die Airport-Ärzte den Fluggästen zugute kommen lassen. Rund um die Uhr ist künftig ein Mediziner für die Passagiere erreichbar. "Wir organisieren für einen verletzten Münchner den Rückflug oder geben um zwei Uhr nachts Auskunft, welches der mitgenommenen Medikamente gegen Bauchschmerzen hilft".

MediCare bietet sogar eine Thromboseprophylaxe an. In der Abflughalle erfährt der Passagier vom Arzt nicht nur, ob er vom "Holzklasse- Leiden" betroffen ist, er kann sich im Fall des Falles auch gleich eine blutverdünnende Spritze verabreichen lassen, die 24 Stunden lang wirkt.

Bezahlung nur in bar

Die Bezahlung erfolge Cash. "Nicht zu Flughafenpreisen", verspricht Zirngibl, "sondern gemäß der Ärztlichen Gebührenordnung." Dieses Angebot sei weltweit einmalig, freut er sich und hat gleich noch einen Superlativ parat: Die Münchner Airport-Klinik sei in ganz Europa die einzige, die sich auch wirklich mitten am Flughafen befinde.

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