Flirtlokale:"Enge kommt den Singles zugute"

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Wo geht was? Eine Psychologin über Bühnen, Blicke und Begegnungen.

Die Psychologin Christiane Tramitz hat über die Kommunikation zwischen Männern und Frauen geforscht. In Büchern wie "Irren ist männlich", "Auf den ersten Blick" oder "Du und kein anderer" untersuchte die 41-Jährige die Wirkung des weiblichen Blicks auf männliche Beobachter - und warum die Partnerwahl oft so schwierig ist. Christian Mayer machte mit ihr einen Rundgang durch Münchner Bars, bei dem Tramitz das Kommunikationsverhalten der Gäste beurteilte.

SZ: Fangen wir mal mitten im Münchner Zentrum an. Ist die Bar Centrale ein guter Ort zum Flirten?

Tramitz: Die Bar ist in zwei Bereiche geteilt: Der vordere Teil ist zum Kennenlernen, der hintere zum Zurückziehen. Hinten sitzen die Gäste zu zweit - schlecht für Singles. Es ist zu intim, als dass man auf sie zugehen würde. Wenn eine Frau alleine sitzt, weil die Tische zu klein sind, wirkt das aufdringlich.

SZ: Ohne Nähe kein Anbandeln?

Tramitz: Ja. Die Enge kommt den Singles sehr zugute. Sie können sich natürlich verhalten und müssen nicht kaschieren, dass sie allein sind. Normalerweise ist das vor allem für Frauen unangenehm. Hier können sie sich frei verhalten. Anders in Lokalen, in denen Singles gleich als solche erkenntlich sind und sich demonstrativ cool geben, um zu zeigen: Ich find's ganz gut, dass ich allein bin. Damit bauen sie eine Mauer um sich.

SZ: Es könnte aber auch ein Vorteil sein, als Single sofort erkennbar zu sein.

Tramitz: Ja, aber es ist wichtig, dass auch ein anderer signalisiert: Ich will Kontakt aufnehmen - und dabei nicht gleich das Gesicht verlieren muss.

SZ: Zu viel Selbstkontrolle ist aber auch nicht gut, wenn man Kontakt sucht.

Tramitz: Stimmt. Aber viele Leute wollen nicht unbedingt jemanden treffen. Sie wollen durch die Blicke der anderen, die ihnen zugeworfen werden, ihr Ego auffrischen. Deswegen verhalten sich Frauen in ihrer Körpersprache sehr kontaktfreudig - aber das ist nicht personenorientiert, sondern stimmungsabhängig. Dabei werden die weiblichen Signale von den Männern oft missverstanden.

SZ: Für Barbesucher, die flirten wollen, ist das ja ziemlich ernüchternd.

Tramitz: Es ist eine Tatsache, dass die meisten Menschen ihre Partner auf Partys, bei Freunden, im Verein oder in der Arbeit treffen. Lokale dienen der Selbstbestätigung. Vom One-Night-Stand einmal abgesehen. Klar, die Einsamen gehen auf Kontaktsuche, aber sie sind durchdrungen von hohen Erwartungen. Wer glaubt, im Lokal den Mann oder die Frau treffen zu können, wird enttäuscht.

SZ: Wie funktioniert die Kommunikationsaufnahme hier im Schumann's?

Tramitz: Es fällt auf, dass die Stammgäste die Außenpositionen einnehmen. Man könnte von Observationsposten sprechen: Mit dem Rücken zur Wand haben sie alles im Blick. Wer einen hohen Status und einen Stammplatz hat, sitzt außen. Damit hat er einen Schutz hinter sich und ist Herrscher über sein Blickfeld. In der Mitte sitzen die Frauen. Die Herren der Schöpfung haben die Damen eingekreist; das macht ein Lokal für Männer attraktiv - für manche Frauen auch.

SZ: Ganz anders ist das Publikum im Pacha. (Es ist inzwischen zwei Uhr früh).

Tramitz: Hier herrscht eine Atmosphäre wie in 1001 Nacht. Man wird mit erotischen Bildern und Emblemen konfrontiert. Der Laden ist so aufgebaut, dass man sich wie in einer Peep-Show präsentieren kann. Alles ist auf edel gemacht, mit Gold, roten Farben, diesen weichen Rundungen der Tische und Bullaugen als Fenster. Das Pacha ist eine Bühne, auf der sich die Gäste wie Schauspieler verhalten. Jeder gibt etwas von sich, was er im normalen Leben nicht hat. Ich stelle mir die Leute vor, wie sie tagsüber an der Kasse sitzen und irgendwelche Summen eintippen. Hier träumen sie davon, Britney Spears zu sein. Konversation ist nicht wichtig, sondern Körpereinsatz.

SZ: Wann ist die Chance am höchsten, jemanden zu treffen?

Tramitz: Das klappt meist, wenn es sehr spät wird und Alkohol im Spiel ist. Zu einer intimeren Begegnung kommt es, wenn die Leute das Gefühl haben: Jetzt ist alles egal.Insofern darf man diese Lokale nie als einen Ort sehen, wo man einen neuen Partner trifft, sondern vielmehr sein Ego poliert.

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