Filmfest:Showdown am Irschenberg

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Thomas Kronthalers Debütfilm "Die Scheinheiligen" ist beim Filmfest für den Regie-Förderpreis nominiert.

Susanne Hermannski

(SZ vom 29.6.2001) - Bayerisch reden ist leicht. Boarisch schreim is schwaar. Und das zu entziffern, was ein anderer als geschriebenes Bayerisch empfindet, noch schwerer. Dieser Tücke war sich Thomas Kronthaler voll und ganz bewusst, als er sein Drehbuch für "Die Scheinheiligen" zu Papier brachte: "Vor allem hat man ja im Kopf, dass auch die Leute in den Fördergremien es halbwegs verstehen sollen..." Er wagte den Eiertanz, schrieb in Mundart und korrigierte lediglich "die falsche Satzstellung, die sich im Dialekt automatisch ergibt". Die Förderer - selbst die Preißn unter ihnen - verstanden, und der Erfolg lässt sich sehen - am 2. und am 5.Juli auf dem Filmfest.

Eine fast wahre Komödie

Kronthalers Hochschul-Abschlussfilm "Die Scheinheiligen" ist für den Regie-Förderpreis der HypoVereinsbank nominiert. Zu den Preisträgern der vergangenen Jahre gehören heute so etablierte Leute wie Hans-Christian Schmid und Söhnke Wortmann. Seinen Film bezeichnet der 34-Jährige als eine "fast wahre Komödie". Und wie es eben so ist mit der Wahrheit: Sie hat weniger mit den wirklichen Ereignissen zu tun als mit dem, was daran wirklich wichtig ist. Oder wie der Bayer sagt: Heifdagod (Möge der Herr Dir beistehen), dass' wahr is!

Die Idee zu der hinterfotzigen Geschichte über einen Herrgottschnitzer, eine alte Bäuerin und jede Menge moderne, will sagen geschäftstüchtige Kommunalpolitiker, kam Kronthaler, als er eines Tages die Zeitung aufschlug. Über Monate zog schon sich der Streit um den Bau eines Mc-Donalds-Restaurants am Irschenberg, die Gegend, in der Thomas Kronthaler aufgewachsen ist.

So laufen die Dinge

Endlich stand fest, was längst beschlossene Sache war: Das lukrative Objekt durfte dort gebaut werden, wo einen erfolgreichen Geschäftsmann mit besten Verbindungen nach oben nun noch bessere Geschäfte erwarteten. "Mir persönlich war das ja egal. Die Landschaft ist an der Stelle sowieso durch die Autobahn verschandelt. Aber wie die Dinge bei uns so laufen, das konnte man an dem Beispiel wieder einmal wunderbar erkennen."

In seinem Film, der en passant zeigt, wie eng die Sprache der Leute mit ihrer "Denke" verwoben ist, sind die Besitzverhältnisse etwas anders. Eine Hendl-Station an der Autobahn soll aus dem Boden gestampft werden, um Geld in die leere Gemeindekasse zu bringen. Doch der Grund gehört einer allein stehenden Bäuerin, und die alte Leni, authentisch gespielt von der 86-jährigen Maria Singer, "gibt nix her".

Als Johannes auftaucht, ein Holzschnitzer - der auf seine Weise dem örtlichen Pfarrer helfen soll, die wertvolle Madonnenfigur zu versilbern - glaubt sie zunächst, der Leibhaftige stünde vor ihr. Johannes Demmel, der ihn mit langen Haaren, Schlapphut und einem Hauch Verführungskraft spielt, sieht ja tatsächlich verdammt so aus, wie kurz vom Brandner Kasper ausgeliehen.

Das Haberfeldtreiben

Doch schnell zeigt sich, dass er und der tiefschwarze Asylbewerber Theophil ihre einzigen Verbündeten sind. Mit allen Mitteln versuchen der Bürgermeister, früher der "Dafeputzer", und sein Freund aus Schultagen, der Landtagsabgeordnete (früher "Klassensprecher"), der alten Frau ihren Besitz abzujagen. Sie schicken ihr sogar die Haberfeldtreiber auf den Hals, um ihr gehörig Angst einzujagen. "Das letzte dokumentierte Haberfeldtreiben fand am Irschenberg übrigens um 1860 statt - vor der Kirche. Da hatte der Pfarrer offenbar ein Verhältnis mit einer Magd", erzählt Kronthaler.

Er selbst, ursprünglich evangelisch, ist mit 14 aus der Kirche ausgetreten: "Besonders die katholische ist mir ein Dorn im Auge." Seine sarkastischen Späße haben ihm bei der Finanzierung des Projekts einige Schwierigkeiten bereitet. "Das war ein echtes Drama. Die Verhandlungen sahen gut aus. Wir dachten, wir hätten eine Beteiligung des Bayerischen Rundfunks schon in der Tasche. Das war ein Irrtum."

Jesus liest dem Pfarrer die Leviten

Dabei ist der Film alles andere als gotteslästerlich. Oder vielleicht doch? Zum Pfarrer der "Scheinheiligen" spricht in seinen schwachen Stunden ein anderer als zu seinem Amtsbruder Don Camillo. Dem las Jesus vom Kreuz herunter gehörig die Leviten. Mit seinem Kollegen hadert Franz Josef Strauß von einer trauerumflorten Fotografie herab.

Wie der italienische Pater ist auch der Oberbayer ein geübter Schütze. "Ich bin Western-Fan, das merkt man einigen Szene auch an", sagt Kronthaler. Gleich zu Beginn, nach einem schönen Schwenk über die Alpen - denn im Privaten ist er auch ein Freund der Berge - ziehen die beiden Polizisten des Films ihre Knarren. Sie heißen "Dschango" und Bene und dürfen am Ende beim Showdown noch einmal zuschlagen: Sie ballern ein Auto zu einem Feuerball. "Wir wollten das unbedingt haben. Bei einem Etat von rund 200000 Mark nicht gerade einfach.

Einmal Spezialeffekt macht 2000 MarkPitt Rotter, der die Spezialeffekte gemacht hat, bot uns einen Freundschaftspreis: 2000 Mark." Als sich der junge Regisseur dann auch noch einbildete, der Wagen sollte vorher kunstgerecht von Kugeln durchsiebt werden, ging er noch einmal zu Rotter - auf das Schlimmste gefasst. "Pitt sagte, ,Ihr seid doch die, die den BMW in die Luft jagen wollen - alles zusammen 2000.'"

Kronthaler will es gerne auch künftig richtig krachen lassen. Filmisch versteht sich. Mit einer Komödie mit der Herzenswärme von "Ganz oder gar nicht" beispielsweise, oder lieber noch mit einem Science-Fiction-Thriller. "Man muss aufpassen, dass man nicht in eine Schublade kommt", sagt er in bestem Hochdeutsch. Im Augenblick ist er allerdings mit anderem beschäftigt. Er plagt sich mit der Übersetzung seiner Dialoge in Untertitel - nur für den Fall, dass sein Film bei internationalen Festivals angenommen wird. "Das ist verdammt schwierig. Oder wüssten Sie, wie man ,an krumma Nagel kenn i' glei weg' mit wenigen Worten auf Englisch sagt?"

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