Feinstaub in München:"Mich nervt der Verkehr" - Blick auf fünf Messstellen

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Feinstaub gibt es nicht nur in der Landshuter Allee - auch an allen weiteren fünf Feinstaub-Messstationen im Stadtgebiet wurde wieder der Grenzwert von 50 Kubikmeter pro Kubikmeter Luft erreicht oder überschritten. Wie fühlen sich die Betroffenen?

Von Christoph Henn

Wer in München von Feinstaub redet, nennt meist im selben Atemzug die Landshuter Allee. Hier wurde am Sonntag zum 36. Mal in diesem Jahr der Feinstaub-Tagesgrenzwert überschritten - nur 35 solche Tage dürfte es nach neuem EU-Recht in zwölf Monaten geben.

Neben der Landshuter Allee wurde der Grenzwert auch an der Prinzregentenstraße, am Stachus, in der Lothstraße, am Luise-Kiesselbach-Platz und in Johanneskirchen überschritten. (Foto: Foto: ddp)

Angesichts dieses traurigen Rekordes spricht kaum jemand von anderen Stellen in München, die ebenfalls unter der Luftverschmutzung leiden. Neben der Landshuter Allee wurde der Grenzwert auch an allen weiteren fünf Feinstaub-Messstationen im Stadtgebiet mehrmals überschritten: je 25 Mal in der Prinzregentenstraße und am Stachus, je 15 Mal in der Lothstraße und am Luise-Kiesselbach-Platz und 13 Mal in Johanneskirchen.

An den meisten dieser Stellen wurde auch gestern Nachmittag wieder der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erreicht oder überschritten. Wie fühlen sich die Betroffenen?

Messstelle: Johanneskirchen Messwert (15 Uhr): 46 Mikrogramm

"Für eine Großstadt finde ich die Luft hier ganz gut", sagt Klaus Mannel. Der 53-Jährige wohnt in Johanneskirchen. Dort gab es unter den in München kontrollierten Gebieten bislang die wenigsten Grenzwertüberschreitungen. Entspannt verbringt Mannel mit Schäferhündin Daisy seine Mittagspause im Biergarten der "Dicken Sofie": "Das einzige, was in Johanneskirchen hin und wieder stinkt, ist das Heizkraftwerk, wenn der Wind von Norden kommt."

Die Sorgen um die Luftqualität hätte man sich früher machen sollen, findet Mannel. Nur dann gäbe es mehr von dem, was er für die einzig richtige Lösung des Feinstaub-Problems hält: "Wir brauchen Rußfilter für Diesel-Autos. Zusätzliche Mautgebühren wären reine Geldschneiderei, und Fahrverbote bringen nichts."

Messstelle: Prinzregentenstraße Messwert (15 Uhr): 53 Mikrogramm

Sinasi Uzun ist stinksauer, weil er gleich doppelt unter dem Verkehr und seinen Folgen leidet. Tagsüber steht er in seinem Zeitschriftenkiosk direkt am Prinzregentenplatz, abends geht er in seine Wohnung, die direkt am Mittleren Ring liegt. "Mich nervt der Verkehr total", sagt Uzun, "und auch meine Kunden beklagen sich sehr oft darüber."

Wenn er könnte, würde er mit seinem Stand in eine weniger belastete Gegend umziehen. Auch wenn ihm die Arbeit an der Hauptstraße gesundheitlich noch nicht spürbar zu schaffen macht, findet Uzun: "Die Lastwagen sollten endlich raus aus der Stadt!"

Messstelle: Lothstraße Messwert (15 Uhr): 50 Mikrogramm

"Wir spüren nichts", sagen die Studenten Ines Thomas, Sondes Hemam und Thomas Egenolf. Sie wissen gar nicht, dass in unmittelbarer Nähe zur FH, wo sie regelmäßig die Pausen im Freien verbringen, Feinstaub gemessen wird - und hier auch gestern wieder der Grenzwert erreicht wurde. Dennoch halten sie die feinen Partikel für gefährlich: "Das Tückische am Feinstaub ist ja gerade, dass man ihn nicht sieht."

Die Studenten der Druck- und Medientechnik sind dagegen, das Problem mit Fahrverboten zu bekämpfen. "Man muss das an der Wurzel anpacken und endlich Rußfilter per Gesetz vorschreiben oder sie zumindest steuerlich fördern", sagt Thomas Egenolf. "Und anfangen sollte man bei den Bussen und Lastwagen."

Messstelle: Luise-Kiesselbach-Platz Messwert (15 Uhr): 47 Mikrogramm

Direkt gegenüber der Messstation am Luise-Kiesselbach-Platz liegt das Pflegeheim Münchenstift Sankt Josef. Bei schönem Wetter sitzt Horst Jürgensen, der seit drei Jahren in dem Heim wohnt, zusammen mit seiner Frau Heinke im Freien - mit gutem Blick auf das Schlamassel: "Der komplette Lastverkehr rollt hier vorbei", sagt der 66-Jährige und deutet auf den Mittleren Ring. "Vor allem am Abend, wenn ich heimfahren will und auf den Bus warte, ist es hier katastrophal", fügt Heinke Jürgensen hinzu.

Auch wenn beide die Feinstaubbelastung nicht körperlich spüren: "Wir wissen, dass sie da ist." Deshalb müsse dringend etwas dagegen unternommen werden. "Die Frage ist nur, ob etwas geschehen wird", sagt Jürgensen. "Wie es aussieht, schieben sich Bund, Länder und Stadt gegenseitig die Verantwortung zu - und heraus kommt gar nichts."

Messstelle: Stachus Messwert (15 Uhr): 63 Mikrogramm

Wenige Menschen stehen so oft am Stachus wie Diana Palic. Die 33-Jährige arbeitet an einem Obststand an jenem Platz, für den gestern Nachmittag die höchste Feinstaubbelastung in München gemessen wurde. Mit 63 Mikrogramm übertraf die Stachus-Messstation sogar jene an der berüchtigten Landshuter Allee, die zur selben Zeit 56 Mikrogramm registrierte. "Wenn ich hier arbeite, werde ich am Abend richtig müde", sagt Palic, "und ich glaube, dass das an den Abgasen liegt." Ab und zu habe sie auch Kopf- und Halsschmerzen. "Aber das kommt wohl eher davon, dass ich zu viel rauche", lacht die Standlfrau.

Doch nicht nur sie leide unter der Luftverschmutzung. "Für das Obst ist der Verkehr natürlich auch nicht gut", sagt sie und blickt auf ihre Erdbeeren, Trauben und Tomaten. Jedem Kunden, der danach fragt, rate sie dringend, die Lebensmittel zu waschen. Palic ist sich sicher, dass die Blechlawinen am Stachus schlimmer geworden sind. "So richtig bewusst wurde mir das, als ich nach einem vier Jahre langen Australien-Aufenthalt hierher zurück kam." Dringend müsse gegen Feinstaub etwas unternommen werden. Doch was kann die Stadt tun? "Das sollen die sich selber einfallen lassen."

(SZ vom 1.4.2005)

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