FC Bayern II:Niederländisch Bayern

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Boy Deul steht für die schleichende Hollandisierung bei den Bayern: Hermann Gerland soll aus der zweiten Mannschaft der Münchner eine Kopie des großen Vorbildes formen.

Ralf Tögel

Tief saß Hermann Gerland hinter dem Tisch im Presseraum des Grünwalder Stadions, er war kaum zu sehen und er sprach leise, sehr leise. Um zu erkennen, dass Gerland gut gelaunt war, muss man das zweifelhafte Vergnügen gehabt haben, ihn schlecht gelaunt zu erleben.

Nationalspieler für die Niederländischen Antillen, jetzt FC Bayern II: Boy Deul. (Foto: Robert Haas)

So aber gab er nach dem Drittligaspiel ein paar Satzhülsen von sich, die Fußballtrainer so sagen, wenn sie gewonnen haben: wichtiger Sieg, endlich die Überlegenheit ins Ziel gebracht, schon vorher gut trainiert, war überfällig. Und einmal lachte Gerland. Als urplötzlich das Handy eines Journalisten losdudelte und seinen Monolog unterbrach. "Was' los Kollege?", kommentierte Gerland dessen hektische Versuche, das Ding schnell zum Schweigen zu bringen.

Deutlich besser war Torsten Lieberknecht zu verstehen, der Braunschweiger Trainer aber wusste nur zu sagen, dass er nichts mehr versteht. Seine Mannschaft war bei diesem 0:1 am Mittwochabend alles schuldig geblieben, artig attestierte er den Münchnern einen verdienten Sieg. Lieberknecht vermittelte den Eindruck, dass es ihm aus Gründen der Gerechtigkeit nicht unangenehm war, dass sein Team in der 90. Minute den Ausgleich haarscharf verpasst hatte. Technisch könne der FC Bayern II sehr hochwertigen Fußball bieten, was zu sehen gewesen sei.

Diese Meinung hatte Lieberknecht weitgehend exklusiv, denn die Münchner konnten nur phasenweise das zeigen, was Louis van Gaal auch in den Talentschuppen verpflanzen will: schnelles Kurzpassspiel nach katalanischem Vorbild. Nach einer Viertelstunde allerdings stimmten die Passwege, Deniz Yilmaz spielte Neuzugang Boy Deul am linken Strafraumeck mit einem Pass in die Nahtstelle frei, der markierte mit einem platzierten Flachschuss an den Innenpfosten den Siegtreffer.

Noch haben die kleinen Bayern sichtbare Probleme, die Vorgaben des niederländischen Chefstrategen umzusetzen. "Da muss man der Mannschaft noch Zeit geben", mahnt Kapitän Danny Schwarz an und erinnert an die Profis. Deren Spiel kam zu Beginn der neuen Zeitrechnung ebenfalls holprig daher, verzückt mittlerweile aber selbst Kritiker. Die zweite Mannschaft übe exakt wie der Bundesligakader, sagt Schwarz, er muss es wissen, in der Vorbereitung wurde er mangels Profis bereits von van Gaal geschliffen. "Das ist ein ganz anderes Leistungsanforderungsprofil", hat Schwarz gelernt. Der erste Saisonsieg werde die Entwicklung fördern, "das ist wichtig für die Psyche der jungen Spieler".

Auch Gerland ist vom neuen System überzeugt, will sich sogar ständig weiterentwickeln, sagte er zu Saisonbeginn. Er ist bekanntlich neben Andries Jonker ein Assistent van Gaals, hat miterlebt, "wie die Profis nach dem ersten schweren Drittel Fußball gespielt haben. Da will ich hinkommen mit den Jungs. Wir werden so weiterarbeiten." Kein leichter Weg, wovon sich jeder gegen Braunschweig habe überzeugen können: "Da war viel Sand im Spiel."

Mit dem Torschützen allerdings war Gerland zufrieden, "man hat gesehen, dass der Junge Fußball spielen kann." Deul, 22, steht schon qua Nationalität für die schleichende Hollandisierung bei den Bayern. Der Kontakt kam über Co-Trainer Jonker zustande, unter dem Deul bei Willem II Tilburg in der niederländischen Eredivisie spielte. "Der Junge war in den letzten drei Jahren 28 Monate verletzt, der wird noch besser", sagt Gerland. Ein Fall für van Gaal? "Das kann ich jetzt doch nicht sagen, lassen Sie den einfach mal spielen."

Im Juli hatte der schnelle Mittelfeldspieler bei Bayern ein Probetraining absolviert, "dann haben wir ihn 14 Tage getestet". Letztlich erhielt Deul einen Einjahresvertrag, im Trainingslager hatte er Gerland überzeugt. Der Holländer ist im Übrigen Nationalspieler: für die Niederländischen Antillen, wo er als Jugendlicher in der Hauptstadt Willemstad spielte. Zu einem Einsatz kam er bis heute allerdings nicht, anders bei niederländisch Bayern: Beim 1:4 in Offenbach erzielte er sein erstes Tor, nun zeichnet Deul für den ersten Saisonsieg hauptverantwortlich.

Das war dem Trainer sogar ein Sonderlob wert, nicht ohne daran zu erinnern, dass Deul völlig frei das 2:0 verpasst hatte. Gerlands Miene war längst wieder versteinert.

© SZ vom 27.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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