Erfolgsgeschichten:Unauffällig an die Weltspitze

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Kaum einer kennt ihre Namen - die Erfolgsgeschichte von vier Münchner Unternehmen im Schatten der Großen

Martin Hammer

Wenn sich irgendwo auf der Welt Menschen für Geld senkrecht in die Tiefe stürzen und dabei noch ein paar Drehungen um die eigene Achse einlegen, dann könnte die gemeine Vorrichtung dafür aus München stammen.

Schwindelgefühle

,,Wir gehören weltweit zu den drei führenden Achterbahn-Bauern'', sagt Horst Ruhe, Bereichsleiter der Firma Maurer & Söhne. 50 dieser bis zu acht Millionen Euro teuren ,,Amusement Rides'' hat seine Firma inzwischen rund um den Globus verstreut - von der Wilden Maus und dem Power Tower auf der Wiesn bis zu schwindelerregenden Konstruktionen in Freizeitparks in Japan, Korea, USA oder im Libanon. Dabei hat die 1876 gegründete Firma, die ihren Sitz am Frankfurter Ring hat, eigentlich ganz andere Schwerpunkte.

Die rund 500 Mitarbeiter errichten Stahlbauten wie das Terminal 2 des Münchner Flughafens oder liefern Dehnfugen für Brücken, mit denen Veränderungen der Länge durch Temperaturschwankungen ausgeglichen werden. Auch das als Weltmarktführer, sagt Ruhe. Die Achterbahnen kamen erst vor 13 Jahren dazu, als Maurer & Söhne das Geschäft einer Tochter des Freistaats abkaufte.

Ein Glücksgriff, findet Ruhe, der nun in der Welt herumreist und die in München gebauten Achterbahnen an den Mann bringt. Mit immer neuen Tücken für den Fahrer. ,,Unsere Spezialität sind Spinning Coaster'', erklärt Ruhe - eine Achterbahn, bei der sich die Wagen auch um die eigene Achse drehen.

Bremsspur

Mit Stillstand kann man es weit bringen. Der Münchner Mittelständler Knorr Bremse zumindest fährt damit seit 101 Jahren bestens. Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit, so haben es die Firmenstatistiker ausgerechnet, kommen jeden Tag mit den Bremssystemen aus München zum Stehen - egal, ob im ICE zwischen Hamburg und Berlin, in der Londoner Metro oder in den U-Bahnen von München und Delhi.

Aus dem 1905 von Georg Knorr in Berlin gegründeten Betrieb, der nach dem zweiten Weltkrieg seinen Stammsitz nach München verlegte, ist heute der weltweit führende Anbieter von Bremsen für Schienen- und Nutzfahrzeuge geworden. 12700 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen an mehr als 60 Standorten, der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 2,7 Milliarden Euro. Das erste Werk entstand in München im Jahr 1919 allerdings unter einem ganz anderen Namen: BMW.

Der heutige Autobauer musste seine Produktion von Flugmotoren wegen des Versailler Vertrags einstellen und nahm statt dessen im Auftrag von Knorr die Bremsen-Fertigung auf. Ein Jahr später übernahm Knorr Bremse BMW, veräußerte den Namen aber 1922 weiter. Am Stammsitz an der Moosacher Straße arbeiten heute 1500 Menschen.

Sommerdach

Als sich Wilhelm Baier vor 98 Jahren von Eßlingen auf den Weg Richtung München machte, hatte er eigentlich Fahrräder im Sinn. Er kaufte ein ehemaliges Sägewerk an der Würm in Stockdorf und begann dort mit der Produktion von Schutzblechen, Gepäckträgern und Haushaltswaren aus Blech. Zunächst für die italienische Fahrradindustrie, dann sattelte er um auf Motorräder und schließlich auf das Automobil.

Bereits in den 30er Jahren spezialisierte sich sein Unternehmen Webasto - zusammengesetzt aus den Initialen Wilhelm Baier Stockdorf - auf die zwei Produkte, mit denen die Firma auch 70 Jahre später den Weltmarkt dominiert: Standheizungen und Schiebedächer. ,,In beiden Bereichen sind wir die Nummer eins mit jeweils mehr als 50 Prozent Marktanteil'', sagt Sprecher Detlef May. Für den Großteil des Umsatzes von rund 1,5 Milliarden Euro sorgen die Dachsysteme. Mit Schiebedächern habe Webasto fast jede bekannte Marke schon ausgerüstet, sagt May, von BMW und Mercedes bis Ford und Opel.

Die Kunden, die das Auto so geliefert bekommen, haben den Namen Webasto meist nie gehört. Ebenso wenig wie die Cabriofahrer, die bei ihrem Smart, Mini oder Alfa Spider das Dach zuklappen. In letzter Zeit plagen das Stockdorfer Unternehmen allerdings Sorgen, wegen des Einbruchs im US-Geschäft und hohen Entwicklungskosten streicht Webasto 450 seiner 6700 Arbeitsplätze.

Abfuhr

Bei Hofe hat sich Franz Xaver Meiller als Lieferant schon früh einen Namen gemacht - doch die Initialzündung für den Aufstieg zu einem der führenden Kipperhersteller der Welt kam erst in den 70er Jahren.

,,Damals haben wir 8000 Kipper für den Bau einer Nebentrasse der Transsibirischen Eisenbahn geliefert und Ende des Jahrzehnts noch einmal 30000 Kipper nach Saudi Arabien'', erzählt Gesellschafter Franz Xaver Meiller. Sein Ur-Urgroßvater mit gleichem Namen gründete vor 156 Jahren eine Schmiede im Münchner Umland. ,,Wir heißen alle Franz Xaver'', sagt Meiller, ,,mein Sohn auch.''

Von den traditionellen Verbindungen ins Ausland profitiere der Betrieb mit rund 1700 Mitarbeitern heute immer noch. Erst in diesem Jahr seien wieder 150 Kipper nach Sibirien gegangen. Über die Geschäfte kann sich Meiller nicht beschweren, in 80 Länder liefert seine Firma rund 12000 Kipperaufbauten pro Jahr, schwerpunktmäßig nach Europa.

Neben dem Hauptstandort in Moosach mit 700 Mitarbeiter, ist Meiller auch in Tschechien oder Russland vertreten. Schließlich habe jedes Land seine ganz eigene ,,Kippkultur'', sagt Meiller. ,,Auf diese Unterschiede müssen wir uns einstellen.''

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