Zwei Dutzend Demonstranten:Ein Abend mit klaren Ansagen

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Vom SPD-geführten Bundesumweltministerium fühlen sich die Erdinger Landwirte verunglimpft, deswegen haben sich bei Kohnens Besuch demonstriert. (Foto: Renate Schmidt)

Natascha Kohnen, Kandidatin für den Vorsitz der Bayern-SPD, trifft in Erding auf Parteifreunde und verärgerte Landwirte

Von Veronika Wulf, Erding

Als Natascha Kohnen am Donnerstagabend vor dem Mayr-Wirt in Erding vorgefahren ist, haben zwei Dutzend Demonstranten aus der Landwirtschaft auf sie gewartet. "Frau Kohnen, reden Sie mit uns, nicht über uns", forderte Johann Schwimmer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands. Eigentlich war die Generalsekretärin der Bayern-SPD gekommen, um über "Politik und Gesellschaft in Zeiten des Populismus" zu sprechen. Doch das Thema Landwirtschaft begleitete Kohnen den Abend lang - auch wenn es nicht ihr Fachgebiet ist.

Seit wenigen Tagen ist Natascha Kohnen, 49, als SPD-Landesvorsitzende im Gespräch, nachdem Florian Pronold sie als seine Nachfolgerin empfohlen hatte, ein Vorgehen, das in der Partei nicht ohne Kritik blieb. Am Donnerstag schwirrte Kohnens Name wieder durch die Nachrichten, denn der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn kündigte an, ebenfalls für den Vorsitz kandidieren zu wollen. Doch all das interessierte die Landwirte herzlich wenig. Sie sahen in Kohnen vor allem die SPD-Politikerin mit engem Draht nach Berlin, genauer: zu Parteikollegin und Umweltministerin Barbara Hendricks. Und auf die sind sie gerade ziemlich sauer. Hendricks hatte eine Kampagne gestartet, bei der sie "Bauernregeln" auf Plakate drucken ließ, wie "Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein". Hendricks habe auf Probleme der modernen Landwirtschaft hinweisen wollen, doch einige Landwirte fühlten sich verunglimpft. "Kohnen kann nichts dafür", räumte Gerhard Stock ein, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands. "Aber wir hoffen, dass sie unseren Unmut weitergibt."

Ein anderer Demonstrant schrie Kohnen entgegen: "Das ist ein Grund zum Rücktritt! Ihr macht unsere ganze Arbeit kaputt, indem ihr uns an den Pranger stellt." In der Hand hielt er ein Schild: "Hat die Hendricks große Not, macht sie halt die Bauern tot." Kohnen reagierte gelassen. Sie als Biologin verstehe sehr gut, dass die Bauernsprüche nicht gut ankamen. "Barbara Hendricks hat das inzwischen auch erkannt." Wenige Stunden zuvor habe Hendricks ein Video veröffentlicht, in dem sie ihren Fehler eingestehe. "Wir müssen zur Sachebene zurück, nicht über Bauernsprüche kommunizieren", sagte Kohnen. Sie versprach den Landwirten, sie mit Horst Arnold in Kontakt zu bringen, Landtagsabgeordneter und Mitglied im Landwirtschaftsausschuss.

Die Demonstranten kamen spontan mit rein zur SPD-Veranstaltung, für die meisten war es ihre erste. Einige Tische und Stühle müssen dazugestellt werden. Kohnen sprach frei und spickte ihre Antworten auf Fragen aus dem Publikum immer wieder mit persönlichen Anekdoten aus ihrem politischen Werdegang. Ihre erste Gemeinderatssitzung sei abschreckend gewesen. Die Politik drücke sich zu umständlich aus. "Wir dürfen nicht so überkandidelt reden, sondern einfach normal." Darin liege auch der Erfolg von Kanzlerkandidat Martin Schulz. "Schulz redet wie ich und du und schafft ein Gefühl mit seinen Worten", sagte Kohnen, die ihr Publikum genossenschaftlich duzte. Schulz fasse vieles in Worte, was bei Sigmar Gabriel unverständlich gewesen sei. In den letzten zehn Tagen habe die Bayern-SPD fast 700 neue Mitglieder gewonnen - dank Schulz. Bezüglich der AfD sei es falsch, ständig nur von "Rechtspopulisten" zu sprechen. Das Wort "rechts" sei mit einer starken, handelnden rechten Hand viel zu positiv konnotiert. Neofaschisten müsse man auch als Neofaschisten bezeichnen.

Kohnen forderte ein landesweites Weiterbildungsgesetz, eine Millionärssteuer, ein Grundeinkommen, eine Kindergrundsicherung, eine Bodenpreisbremse. Pronolds Themen werde sie weiterführen, zuspitzen, in einfache Worte gießen. Als die Bauern einen klaren Standpunkt zur Landwirtschaft von ihr verlangten, musste sie passen und an Arnold verweisen. Energie und Umwelt seien ihre Themen. Martin Kern griff ihren Vorschlag auf: "Ich verspreche Ihnen, wir machen eine Veranstaltung mit Horst Arnold."

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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