Zu unrecht unattraktiv:Kurzsichtig

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Trotz glänzender Perspektiven meiden junge Leute weiterhin das Handwerk

Lieber würden die Handwerker an diesem Samstagabend ordentlich feiern: Im Gasthof Menzinger in Lengdorf findet die Freisprechungsfeier statt. Doch Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger sieht seine Branche in einer tiefen Personalkrise. Nicht mehr als 49 Auszubildende aus fünf Innungen erhalten an diesem Abend ihre Gesellenbrief. Sie kommen aus der Bäckerei, Metzgerei, aus dem Friseur-, Schreiner- und Zimmererhandwerk. Zehn weitere hätten die Prüfung schlicht nicht bestanden, sagt Waxenberger. Trotz der ihm zufolge "glänzenden Perspektive" für Auszubildende entscheiden sich immer weniger Schulabgänger für diesen Weg. "Das Handwerk wird immer unattraktiver, und das zu Unrecht", sagt er. So zählt die Bauinnung Erding und Freising dieses Jahr nur zwölf Jugendliche, die zum 1. September eine Ausbildung zum Maurer begonnen haben, vor einigen Jahren seien es noch mehr als fünfzig gewesen. Auch das Schreinerhandwerk, das in den vergangenen Jahren einen leichten Zulauf verzeichnet habe, werde wieder unbeliebter.

Leistungsfähig: Was die Erdinger Bäcker können, zeigen sie jedes Jahr beim Handwerkerball. (Foto: Renate Schmidt)

Unbegründet sei die Abneigung gegen Handwerksberufe, weil in der Branche gute Verdienste möglich seien. Weil der Bedarf an Fachpersonal wächst und gleichzeitig immer weniger ausgebildete Kräfte verfügbar sind, stiegen auch die Löhne. Zudem sei das Auszubildendengehalt vor allem im Handwerk vergleichsweise hoch, Waxenberger nennt das Beispiel eines Maurers im dritten Ausbildungsjahr, dessen Tarifgehalt bei 1410 Euro im Monat liegt.

Er lobt auch die individuelle Betreuung in den Lehrbetrieben. "Anders als bei Großkonzernen wird man dort nicht nur theoretisch ausgebildet", sagt er. Die Lehrlinge im Landkreis erhielten eine fundierte und oft hoch spezialisierte Ausbildung. Trotzdem berichtet er von demotivierenden Erfahrungen. "Die Kreishandwerkerschaft ist ehrenamtlich an den Schulen tätig und wirbt dort für das Handwerk", erklärt er. Oft sei das größte Hindernis die Ablehnung der Eltern gegenüber einem Lehrberuf. Viele ermutigten ihre Kinder deswegen zu einem Studium.

Trotz glänzender Perspektiven meiden junge Leute weiterhin das Handwerk (Foto: Renate Schmidt)

Die 49 Auszubildenden, die an diesem Samstag verabschiedet werden, haben gute Perspektiven. Die Laufbahnen der neuen Gesellen seien unterschiedlich, so Waxenberger. Viele Fachkräfte werden nach der Ausbildung von ihren Betrieben übernommen. "Etliche streben den Meistertitel an, dazu braucht man je nach Handwerk ein bis zwei Jahre Gesellentätigkeit", sagt er. Einige besuchen auch die Berufsoberschule. um danach ein Studium an einer Universität oder Fachhochschule zu beginnen - auch wenn die Handwerksbranche ihre Dienste dringend benötigen würde.

© SZ vom 15.09.2018 / MWES - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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